Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?
Exkurs: Das romantische Liebesideal
Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft

Die Frage, ob es erlaubt ist, neidisch zu sein, und wie wir mit den Gefühlen angemessen umgehen, hat eine lange kulturhistorische Tradition. Schon in den antiken Tragödien von Aischylos, Euripides oder Pindar spielt der Neid eine wichtige Rolle. So erzählt Aischylos in seinem Drama Agamemnon von der Heimkehr des Troja-Eroberers und seiner Furcht, durch seine exponierte Stellung den Neid der Irdischen auf sich zu ziehen. Diese empfinden im Anblick seines Triumphes doppeltes Unglück: Einerseits müssen sie damit fertig werden, nicht so erfolgreich zu sein, andererseits haben sie mit anzusehen, wie der Erfolgreiche gefeiert wird.

Die Götter betrachten Agamemnons Bedenken, den Sieg auszukosten, mit Wohlwollen. Sie selbst nämlich reagieren dann neidisch, wenn die Menschen in anmaßender Selbstgefälligkeit Grenzen übertreten, die sie ihnen zuvor auferlegt haben. Missachtet der Mensch die ihm eigene Schwäche und maßt sich an, den Göttern gleichen zu wollen, reagieren sie mit „Abstandsneid“, wie der Psychologe Rolf Haubl diese Form des Neids nennt. Wer selbstgerecht handelt, um einen unangemessenen Vorteil daraus zu ziehen, wird dafür bestraft, um die göttliche Ordnung nicht zu gefährden.

Wie offen die griechische Demokratie dem Neid einen Platz einräumt, belegt auch die Volksversammlung: Sie beschäftigt sich einmal jährlich mit der Frage, ob ein Scherbengericht stattfinden solle. Dadurch kann ein Bürger, dessen Macht und Einfluss dem Wahlvolk zu groß zu werden schien, aus der Stadt verbannt werden. Entscheiden sich die Athener für eine solche Abstimmung, ritzen sie den Namen des zu verbannenden Kandidaten in die Scherben ein. Ein Areal auf dem Marktplatz nimmt die Scherben auf. Die einfache Mehrheit entscheidet. Das Scherbengericht entstand zunächst als eine Sicherheitsmaßnahme gegen zu großen politischen und sozialen Einfluss. In der weiteren Entwicklung dient es allerdings auch dem politischen Intrigenspiel. Gegner einer bestimmten Politik konnten auf diese Weise aus der Stadt gewiesen werden.

Des Volkes Strafe traf auch jene, die durch ihre Art zu leben den Neid der anderen wecken. Da konnte auch ein guter moralischer Ruf mit Verbannung belegt werden: Der Politiker Aristides ging einem Analphabeten zur Hand, der ihn bat, den Namen Aristides auf die Scherbe zu ritzen. Auf die Frage, ob jener Aristides ihm etwas getan habe, antwortet der Athener, er kenne ihn nicht einmal. Allerdings ärgere es ihn, dass Aristides überall als „der Gerechte“ gelte. Gerecht, wie man ihn eben nannte, ritzte Aristides seinen eigenen Namen in die Scherbe und reichte sie dem Mann.

Solchen Auswüchsen schiebt die christliche Religion einen Riegel vor: In unserem Schweigen und unserer Scham über den Neid spiegelt sich auch sein schlechtes gesellschaftliches Image wider. Wie zur Abschreckung sind schon in der Genesis die Kinder von Adam und Eva, die Brüder Abel und Kain, neidisch miteinander verstrickt. Beide bringen Gott ein Opfer dar. Doch Gott akzeptiert nur Abels Opfer und ignoriert Kains. In seiner Wut über diese Ungerechtigkeit erschlägt Kain seinen Bruder. Zur Strafe wird er mit dem Kainsmal auf der Stirn gebrandmarkt, damit alle ihn als Neider und Brudermörder erkennen können.

Der strafende Gott etabliert sich im Zuge von Kains Tat als neidlos und gerecht: Gott neidet Kain nicht, dass er sich göttliche Rechte angemaßt hat. Er neidet ihm nicht, dass Kain sich über den Abstand zwischen göttlicher Autorität und menschlicher Existenz hinweggesetzt hat. Er rächt sich nicht an Kain für das Übertreten dieser Grenzen, wie die griechischen Götter es noch getan haben. Und er lässt Kain das Leben, um seine Tat eigenhändig zu sühnen. Damit grenzt sich die Religion der Christen von den alten griechischen Mythen ab. Während die griechischen Götter noch voller Neid auf die Menschen herabschauen, ist der Christengott ohne Neid.

Die Gebote neun und zehn der „Zehn Gebote“ meißeln den Anspruch an die Menschen in Stein: Niemand dürfe seines Nächsten Hab und Gut begehren. Damit wird eine Orientierungshilfe geschaffen, auf der die christliche Wertegemeinschaft beruht, unter anderem getragen von der Hoffnung auf weitgehend neidfreie zwischenmenschliche Beziehungen. Später, im 6. Jahrhundert unter Papst Gregor I., findet der Neid als eine der sieben Todsünden Aufnahme in den offiziellen Negativkanon der Kirche. Seither gilt Neid als die Sünde wider des Nächsten Glück. Weil Neid als Quelle des Hasses, der Intrige und der Verleumdung ausgemacht war, wird er mit er ewigen Verdammnis belegt.

Literatur:
Rakoczy, T.: Böser Blick, Macht des Auges und Neid der Götter. Eine Untersuchung zur Kraft des Blickes in der griechischen Literatur, Tübingen: Narr 1996.
Haubl, R.: Neidisch sind immer nur die anderen. Über die Unfähigkeit, zufrieden zu sein, München: Beck 2001.

Auszug aus: Zimmermann T (2004). Schön für dich… Neid und Konkurrenz in der Liebesbeziehung. mvg-Verlag, Frankfurt/M.

Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund
Exkurs: Schneewittchen und die sieben Zwerge
Teil 10: Neid trägt viele Kleider
Teil 11: Aus der Sprachlosigkeit finden, wenn Neid die Stimmung trübt

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Neid – geächtet durch die Gemeinschaft

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?
Exkurs: Das romantische Liebesideal

Wie verbreitet der Neid im individuellen Erleben auch ist, so verpönt und geächtet ist er gesellschaftlich: Wenn wir unseren Partner beneiden, begehen wir nach christlichem Verständnis eine Todsünde. Auch der Neid auf die Geschwister, die Kollegen, die vermeintlich privilegierten Beamten und überhaupt alle, die von irgendetwas mehr haben als wir selbst, gilt als Sünde.

Wer sich nicht auf die religiöse Metaphorik einlassen mag, wird seinen Neid dennoch nicht offener zur Schau stellen. Vielmehr liegt über unserem gesamten Sozialisationsprozess eine Art Neidverbot. Nie bestärken uns die Eltern, indem sie sagen: „Schön, dass du wieder so neidisch auf den Teller deines Bruder gestarrt hast.“ Nie erhält jemand soziale Anerkennung, der zugibt, heute wieder besonders neidisch auf seine Mitmenschen zu sein.

Bis heute lehnen wir den Neid ab, fürchten und verachten ihn, weil wir aus eigener Erfahrung das Bedrohungspotenzial kennen, das in ihm steckt. Neid geht in diesem Sinne nicht einfach zur Tagesordnung über, denn das neidische Gefu?hl lässt sich allenfalls kurzfristig besänftigen: „Invidia festos dies non agit.“ Schon die Römer wussten, dass Neid keine Feiertage kennt. Dabei entfesselt das Gefühl eine negative Kraft, die kein wie auch immer Beneideter gern auf sich ziehen möchte.

Da sich der Neid prinzipiell auf alles und jeden richten kann, hilft nur eine Art gesellschaftliches Neid-Tabu, die potenzielle Bedrohung durch den Neider wenn schon nicht auszuschalten, so doch zumindest klein zu halten. Wie der Soziologe Helmut Schoeck in seinem Standardwerk „Der Neid. Die Urgeschichte des Bösen“ herausarbeitet, stellt das Neid-Tabu sogar eine Art Entwicklungsvoraussetzung dar: Extrem neidische Gesellschaften hemmen den eigenen Fortschritt, weil individuelle Unterschiede zwischen den Gemeinschaftsmitgliedern nicht toleriert werden.

Angesichts des ausschließlich negativen Leumundes tut jeder gut daran, seinen Neid möglichst für sich zu behalten. Schnell sprechen Kommentatoren abschätzig von Sozialneid, wenn hohe Managergehälter kritisiert werden. Auch die Befürworter einer Erbschafts- und Vermögenssteuer setzen sich dem Vorwurf aus, dem sozialen Neid eines Teils der Bevölkerung das Wort zu reden. Allein weil das dem Neid weiteren Vorschub leiste, könne ein solcher Vorschlag nicht gutgeheißen werden.

Nur die Werbeindustrie bricht das Tabu zu ihren Gunsten. Sie verwendet das Neidmotiv hin und wieder als Sujet, um ein Produkt begehrenswert zu machen. Allerdings kann das in der Wirklichkeit zu heftigen Neidattacken bei den Benachteiligten führen. Auf Schulhöfen, Spielplätzen oder in öffentlichen Parks wird mancher Jugendliche Opfer eines neidmotivierten Überfalls, der auf Markenkleidung oder -schuhe abzielt.

Manchmal lässt die Öffentlichkeit einen Neider davonkommen, ohne ihn öffentlich für den Neid abzustrafen: So geschehen als vor der WM 2006 der zweite Torhüter der deutschen Fußballnationalmannschaft, Jens Lehmann, öffentlich Oliver Kahn, die damalige Nummer 1, herausforderte mit der Behauptung, eigentlich sei er selbst der bessere Mann zwischen den Pfosten. Nicht dem ewigen Kahn, nein ihm, Lehmann, stehe es endlich zu, als die Nummer 1 aufzulaufen. Obwohl die Klage des zweiten Mannes tagelang die Gazetten beherrschte, nahm kein Berichterstatter das Wort „Neid“ in den Mund. Dabei ließ sich Lehmann in seinem Neidimpuls sogar dazu hinreißen, Kahns moralische Integrität öffentlich zu hinterfragen. Das schlimme N-Wort tauchte selbst dann noch nirgendwo auf.

Dies ist ein Beispiel dafür, wie einer, der dauernd zu kurz kommt, beziehungsweise in der zweiten Reihe ausharren muss, die Offensive sucht. Seine Not ist dabei so groß, dass er die eigene moralische Integrität aufs Spiel setzt, um sein Ziel zu erreichen. Lehmanns Strategie ist aufgegangen: Zur WM im eigenen Land stand er zwischen den Pfosten.

Trotz aller Ablehnung gibt es ohne Zweifel so etwas wie entschuldbaren Neid (John Rawls) – dann nämlich, wenn der Neider gegen eine als ungerecht empfundene Benachteiligung aufbegehrt. Zumal sich der Neid sicherlich in der menschlichen Entwicklung nicht so lange gehalten hätte, hätte er die gesellschaftliche Entwicklung nur gebremst. Natürlich bedrohen die Rollen brechenden Autonomiekräfte, die der Neid freisetzt, die Entwürfe einer geordneten und überschaubaren Welt. Gerade diese geordneten Welten werden von den Mächtigen besonders geliebt, denn sie sichern ihnen ja die Herrschaft. Um den Neid als Störenfried der gerade herrschenden Ordnung zu zähmen, reicht es aber völlig aus, ihn zur Todsünde zu erklären. Damit wird der Neid als Regung verdammt, die den Abgründen der menschlichen Seele entspringt.

Das macht den Neid zum Schmuddelkind unter den Gefühlen. Zu Recht oder nicht, wir verurteilen den Neider für seinen schiefen Blick auf Besitz, Hab und Gut, auf Erfolg und Leistung seiner Mitmenschen. Wo jedoch kein Neid sein darf, können auch die krassesten Unterschiede in der Verteilung von Ressourcen und Reichtümern nicht öffentlich debattiert werden. Und dann auch noch Konkurrenz und neidische Gefühle in den eigenen vier Wänden, zwischen Männern und Frauen?

Die öffentliche Ablehnung, das Etikett der Sünde, die negativen Reaktionen – all das sind natürlich keine Einladungen, sich zu seinem Neid zu bekennen. Doch Neid ist nicht per se schlecht oder gar moralisch verwerflich. Er entsteht, wenn ein sozialer Vergleich zu den eigenen Ungunsten ausfällt: Wie bin ich? Wie ist mein Partner? Wo stehe ich mit meinem Leben? Wo steht mein Partner mit seinem Leben? Wieso hat er das, was ich nicht habe?
Wir erwarten vom Neider, entweder seinen Gefühlen zu entsagen oder uns nicht damit zu behelligen. Damit reduzieren wir die Bedrohung, die vom Neid ausgeht. Außerdem verhindern wir ein schlechtes Gewissen, ein Gefühl, uns schuldig zu fühlen, wenn wir haben, was der Neider begehrt. Der Neider jedenfalls braucht Mut, das Mitteilungsverbot zu brechen und dem Partner den Neid zu offenbaren.

Schoeck, H.: Der Neid. Die Urgeschichte des Bösen, München/Wien: Herbig 1980

Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund
Exkurs: Schneewittchen und die sieben Zwerge
Teil 10: Neid trägt viele Kleider
Teil 11: Aus der Sprachlosigkeit finden, wenn Neid die Stimmung trübt

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Heute vor 28 Jahren…

… habe ich die Seiten gewechselt und bin in der Nacht vom 18. auf den 19. März vom Osten in den Westen „rübergemacht“. Morgens angekommen auf dem Hauptbahnhof von Frankfurt am Main nach einem sehr tränenreichen Abschied abends um 22.37 Uhr auf dem Bahnhof Dresden-Neustadt, umgestiegen und weitergefahren ins Aufnahmelager in Gießen. Die eindrücklichste Erinnerung ist das Zugtelefon im Intercity, von dem aus ich den ersten Kontakt zu einem Bekannten im Saarland herstellen konnte. Als 21-jähriger Ossi kannte ich öffentliche Telefonzellen, aber eine Sprechverbindung bei Tempo 180? Sensationell.

Und ansonsten?

Ankunft in Gießen. Anmeldung, um dann alsbald frische Personaldokumente entgegenzunehmen. Begrüßungsgeld. Ein kurzes Gespräch mit der Hauptstelle für Befragungswesen, denen ich mit der gleichen Skepsis begegnete wie zuvor den Befragenden auf der anderen Seite. Einmal Einkleiden von Kopf bis Fuß mit (preiswerten), heute würde ich sagen Discounter-, Westklamotten. Nach zwei Tagen Abreise zu meiner vorläufigen Station in der Nähe von Karlsruhe.

Ich kann nicht behaupten, ich hätte mich gefreut, im Westen angekommen zu sein. Klar, alles war bunt, die Supermärkte, die Buch- und die Plattenläden waren grell und übervoll. Aber vermisst habe ich die Freunde und Freundinnen, die zurückgeblieben sind in diesem seltsamen, bizarren Land DDR, das mich ausgespuckt hatte – ohne Rückfahrkarte.

Die Sehnsucht blieb erhalten. Viermal habe ich in den folgenden Jahren versucht, von West-Berlin aus in die DDR einzureisen. Jeder mißlungene Versuch ist in meiner Stasi-Akte dokumentiert, die auch nach meiner Ausreise sauber weitergeführt wurde. Die Einreise gelungen ist mir erstmals am 13.11.1989.

Wenn die Kassenärztin Kasse macht

Immer wieder kommt es vor, dass niedergelassene ÄrztInnen ihre PatientInnen dazu drängen, eine Leistung in Anspruch zu nehmen, für die dann eine Privatrechnung ausgestellt wird.

Da sind zum einen individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), gerne angeboten von UrologInnen (PSA-Test zur Früherkennung von Prostata-Krebs bei beschwerde-freien Männern mittleren Alters), AugenärztInnen (Augeninnendruck-Messung zur Früherkennung des Grünen Stars). Auch ein 3D-Farbfoto des Embryos im Bauch der werdenden Mutter ist eine solche Leistung – im Angebot in Frauenarzt-Praxen.

Ärztliche Waren dieser Art können angeboten werden. PatientInnen zahlen ja auch für Reiki-Heiler, HeilpraktikerInnen oder OsteopathInnen.

Nur ließe sich von einer funktionierenden, weil vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung erwarten, dass Sinn und Unsinn beim Namen genannt werden. Dann wüssten PatientInnen, dass diese Untersuchungen nicht ohne Grund so nicht im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen stehen: Hätten Männer Beschwerden bspw. beim Wasserlassen, wird der PSA-Test von der Kasse bezahlt. Doch warum sollte die Kasse bei Beschwerdefreiheit zahlen?

Der Augeninnendruck kann in Kombination mit anderen Untersuchungen (Sehnerv, Gesichtsfeld) ein sinnvoller diagnostischer Parameter sein. Aber für sich genommen ist die Messung nur Geldschneiderei. Schließlich: Die Krankenkassen zahlen das 2D-Schwarzweiß-Ultraschall-Foto des Embryos. Wer dennoch ein buntes Bildchen des Nachwuchses in 3D haben möchte, der möge es extra bezahlen, sagen die Kassen zurecht. Wer aber 3D bezahlt, ohne darüber aufgeklärt sein, dass es das 2D-Bild inklusive gibt, wird über den Tisch gezogen.

Genauso verhält es sich bei einer so genannten „Komfortsprechstunde“ oder auch „Selbstzahlersprechstunde“. Hier verticken KassenärztInnen ihre Zeit an GKV-PatientInnen für 40, 50 oder 60 Euro, denen sie zuvor gesagt haben, dass sie reguläre, kostenfreie Termine erst in sechs Wochen wieder anbieten können. Das mag am Budget und sämtlichen anderen Ungerechtigkeiten liegen, die das KV-System den ambulanten ÄrztInnen auferlegt. Dafür bei Kassen-PatientInnen zu kassieren, ist dreist. Schnellerer Zugang zum Arzt für Kohle – das ist Abzocke von Schutzbefohlenen.

Um zu wissen, woran wir bei alledem sind, lohnt es sich, ins Sozialgesetzbuch 5 zu schauen. Dort steht in § 128, Satz 5a: „Vertragsärzte, die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, verstoßen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten.“

PolitikerInnen sollten diesen Geschäftsmodellen bald dicke Riegel vorschieben. PatientInnen sollten hellhörig werden, wenn ÄrztInnen etwas verkaufen wollen – und nicht sofort einem Geschäft zustimmen, in das sie mit süßer Stimme hineingelockt werden.

Mit dem Neid leben?

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dassselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz

Den Neid, der aus dem Vergleich mit dem Partner resultiert, blenden wir gern aus. Dabei hilft uns der romantisierende Blick auf unsere Zweisamkeit, der durch solche Ungereimtheiten nicht getrübt werden soll. Alles, was dem Ideal des verschmolzenen Paares widerspricht, wollen wir möglichst nicht wahrnehmen. Mit dem Neid einhergehende Disharmonie und feindselige Gefühle zögen Irritationen nach sich und schafften unerträglichen Abstand zwischen den Liebenden. Um den Konflikt nicht austragen zu müssen, betonen wir das romantische „Wir“ gegenüber dem autonomen „Ich“. Deswegen vermeiden wir möglichst, den Neid und die damit verbundenen Gefühle der Zurücksetzung und der Scham zu thematisieren.

Den Neid nicht anzusprechen ist auch noch einer anderen Erkenntnis geschuldet: Wenn ein Vergleich zu den eigenen Ungunsten ausfällt und der aufkommende Neid auf einen Mangel zurückzuführen ist, hilft in der Regel auch das Gespräch nicht, diesen Mangel zu beheben. Wer sich nicht attraktiv findet oder eher zurückhaltender Natur ist, ändert daran nichts, wenn er darüber redet, der Partner ihn attraktiv findet bzw. dazu auffordert, stärker aus sich heraus zu gehen. Ein Gespräch kann sogar das Gegenteil bewirken, weil es eventuell Verletzungen aktualisiert, denen wir uns nicht fortwährend aussetzen wollen.

Um uns jedoch von unserem Neid auf den Liebespartner nicht beherrschen zu lassen, ist es gleichwohl sinnvoll, offensiv mit der eigenen Befindlichkeit umzugehen.

  • Spornt der Neid uns an, unsere Leistung zu verbessern, so wie Holger mit Hilfe seiner Frau seine Skifahrkünste ausbaute?
  • Nehmen wir den Neid als Hinweis darauf, welches unser Bedürfnisse innerhalb der Beziehung zu kurz kommt?
  • Oder macht uns der Neid nachdenklich hinsichtlich unserer Ziele und Wünsche?

Der Neid, den wir spüren, kann hilfreich sein, von manchen Begehrlichkeiten Abschied zu nehmen. Er kann helfen zu erkennen, dass sich manches im Leben eben nicht erreichen lässt. Als Neid besänftigend erweist sich auch, die Vergleichsdimension zu wechseln: Ein Mann, der seiner Frau das vertrauensvolle Verhältnis zum Kind neidet, tut gut daran, sein eigenes, von der Frau unabhängiges vertrauensvolles Verhältnis mit dem Kind aufzubauen. Dann lässt sich auch die Verschiedenheit besser aushalten.

Damit wir in Liebesbeziehungen spielerisch miteinander wetteifern können, sollten wir die Konkurrenz nicht voreinander verstecken: Nicht die Tatsache, dass wir uns miteinander vergleichen und miteinander konkurrieren, schürt das Misstrauen. Wir misstrauen uns erst, wenn wir uns heimlich vergleichen, wenn wir im Verborgenen bilanzieren und wenn das Gefühl aufkeimt, der andere wolle uns übervorteilen.

Nicht der Vergleich ist schlecht und auch nicht der daraus resultierende Neid, sondern die Art und Weise, wie wir den Ausgang des Vergleichs für uns interpretieren. Offenbar ist es um unserer Selbsterhaltung und unseres Selbstwerts willen kaum möglich, einen Vergleich zu unseren Ungunsten nicht persönlich zu nehmen. Dem können wir eine positive Wendung geben, wenn der Neid uns anspornt und dazu anregt, uns verändern. Darüber hinaus lassen sich aus unseren neidischen Gefühlen weitere wichtige Erkenntnisse ableiten, denn der Neid

  • gibt wichtige Hinweise darauf, wohin wir uns gern entwickeln möchten,
  • macht deutlich, dass wir auch in einer Partnerschaft autonome Wesen sind,
  • erinnert uns an eigene Bedürfnisse,
  • zwingt uns, die Frage zu beantworten, was wir wirklich wollen.

Gelingt es uns wie Tine und Holger, die positiv-herausfordernde Seite des Neids in den Mittelpunkt zu rücken, stehen für beide Partner alle Möglichkeiten offen, aneinander zu wachsen. Nur der unerkannte, unbenannte, verborgene Neid gefährdet den Zusammenhalt. Nur jener Neid, der uns feindselig auf unseren Partner reagieren lässt, ohne dass wir bereit sind, dafür die Verantwortung zu übernehmen, bedroht unsere Partnerschaft – so wie Heike sich von Reimund getrennt hat, als sie sich immer weiter in die Enge getrieben sah. Offen ausgetragene Konkurrenz belebt die Liebe – so wie Mandy und Mike einander wieder näher kamen, nachdem Mandy anfing, Mike nicht länger für die Lösung ihrer Probleme verantwortlich zu machen.

Neid in unseren Liebesbeziehungen fordert uns heraus, nichts unversucht zu lassen, sich selbst zu verbessern und sich weiter zu entwickeln. Dem Handballer Stefan Kretzschmar ist dieser Schritt gelungen: Mit seiner maßgeblichen Beteiligung gewann die deutsche Nationalmannschaft bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen die Silbermedaille.

Exkurs: Das romantische Liebesideal
Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft
Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Das romantische Liebesideal

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Das romantische Liebesideal entsteht gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Zuge der Französischen Revolution beginnt das „Zeitalter der Aufklärung“. Monarchien und Fürstenhäuser brechen zusammen. Das Bürgertum steigt zu einer ernst zu nehmenden gesellschaftlichen Macht auf. Die neue Zeit offenbart den Bürgern neue Wahlfreiheiten. Dichtkunst und Literatur werden von den Romantikern des „Sturm und Drang“ beherrscht, die als erste die neuen Freiheiten insbesondere als die Freiheit von emotionalen Zwängen feiern.

Karl Lenz nennt in seinem Buch „Soziologie der Zweierbeziehung“ folgende Merkmale, die an das romantische Liebesideal geknüpft sind:

  • Liebe und Sexualität gehören zusammen.
  • Die bürgerliche Ehe ist die einzig adäquate Form, die Liebe zum Ausdruck zu bringen.
  • Die romantische Liebe erfährt durch die Elternschaft ihre höchste Vollendung.
  • Das Gefühl entsteht, wenn die Person auftaucht, für die diese Liebe bestimmt ist; jede Beziehungsanbahnung und sämtliche Erhaltungsbemühungen sind verwerflich.
  • Es gibt nur die eine, die einzig wahre Liebe mit dem einen Menschen.
  • Diese Liebe gibt die Chance, in seiner Einzigartigkeit anerkannt zu werden, verbunden mit sehr hoher Glückserwartung an die Beziehung.
  • Erst eine wechselseitig erwiderte Liebe wird zur „wahren“ Liebe.

Die romantischen Liebesvorstellungen verdrängen den pragmatischen Entwurf, den die Menschen bis dahin gelebt haben: In einer Ehe sollten sich die Eheleute ergänzen. Sie sollten eine sozialökonomische Schicksalsgemeinschaft gründen, in der sie zum gegenseitigen Vorteil Hab und Gut miteinander teilten. Diesen Vorteil sollten sie nutzen, einer möglichst großen Zahl von Kindern das Überleben zu sichern.

Doch die bürgerlichen Romantiker verachten diesen pragmatischen Entwurf und machen die emotionale Verbundenheit zwischen den Partnern zum entscheidenden Kriterium. Die „wahre“ Liebe zwischen zwei Auserwählten begründet einen „Bund fürs Leben“. In freier Wahl gibt nun das mächtige Liebesgefühl den Ausschlag, wer für wen bestimmt ist. Dabei erfüllt der Partner oder die Partnerin sämtliche Wünsche, befriedigt alle Bedürfnisse und stillt die Sehnsucht, mit dem einen Wesen zu verschmelzen, das genauso denkt und fühlt und handelt.

Literatur: Lenz, K.: Soziologie der Zweierbeziehung. Eine Einführung, Opladen: Westdeutscher Verlag 1998.

Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft
Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund
Exkurs: Schneewittchen und die sieben Zwerge
Teil 10: Neid trägt viele Kleider
Teil 11: Aus der Sprachlosigkeit finden, wenn Neid die Stimmung trübt

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Männer und Frauen – die neue Konkurrenz

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch

Vergleiche zwischen Männern und Frauen wie bei Heike und Reimund oder bei Tine und Holger sind ein Phänomen moderner Lebenswirklichkeiten. Konkurrierende Interessen zwischen Liebespartnern waren vor rund 200 Jahren, als das romantische Liebesideal entstand, kaum denkbar. Männer und Frauen lebten in voneinander getrennten Welten. Konflikte um Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten gab es so gut wie keine. Nicht nur, dass Frauen gar nicht studieren durften.

In der Welt der bürgerlichen Ehe, die sich damals gerade als gesellschaftliches Modell zu etablieren begann, wurden beiden Geschlechtern streng getrennte Aufgabenbereiche zugewiesen: Sie versorgte die Kinder, organisierte den Haushalt und stellte dort das her, was die Familie täglich brauchte. Er kümmerte sich um sein Geschäft, ein Handwerk, ein Handelsunternehmen oder er verdingte sich als Lohnarbeiter. Konkurrenz zwischen den Geschlechtern war kein Thema. Als zu verschieden galten Frau und Mann. Die Unterordnung der Frau unter den Mann wurde als völlig natürlich betrachtet und auch von den meisten Frauen als gegeben akzeptiert.

Vor allem in den letzten vier Jahrzehnten haben sich die Paarbeziehungen mit großer Dynamik verändert. Neue Lebens- und Liebesformen setzten sich seitdem durch. Im Zuge des geschlechterpolitischen Umbruchs verwischten viele der so genannten „natürlichen“ Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Althergebrachte Rollenvorstellungen wurden hinterfragt. Bis dahin wohl erprobte Beziehungsgleichgewichte gerieten durcheinander.

Plötzlich ergänzen Männer und Frauen sich nicht mehr nur, sondern wetteifern um dieselben (knappen) Ressourcen: den beruflichen Erfolg, das Einkommen, die Freizeit, die Aufmerksamkeit im sozialen Umfeld, das Vertrauen der Kinder. Die Konkurrenzsituation sorgt zunächst auch für Unsicherheit. Gerade Männern scheint häufig noch unklar, wie sie mit den neuen Ansprüchen der Frauen umgehen sollen. In dem Maße wie sich das weibliche Selbstverständnis veränderte, entstand eine neue Geschlechterrivalität.

Doch nicht nur die Geschlechterverhältnisse haben sich weiter entwickelt. Auch die Erwartungen an das Leben, die Bedürfnisse und Sehnsüchte haben sich ausdifferenziert: Als selbstverantwortliche Individuen entwerfen Männer und Frauen heute zunächst Lebens- und Zukunftspläne für das eigene Fortkommen. In diese Entwürfe gehen bevorzugt die Optionen ein, die unseren Sehnsüchten und unseren Möglichkeiten nahe kommen: Schulbildung, berufliche Ausbildung oder Studium, Sammeln von Welterfahrung, Reisen, Kinder nicht vor 30, erst einmal das Leben genießen…

Lassen wir uns dann bei passender Gelegenheit auf eine Liebesbeziehung ein, müssen wir aus dieser gut eingerichteten Selbstsicht in die Beziehungsperspektive wechseln. Dort gemeinsam mit dem geliebten Menschen einen Beziehungsentwurf zu entwickeln, erweist sich häufig als schwieriger als wir vorher erwartet haben. Deswegen passiert es nicht selten, dass wir uns zwar in einer Beziehung sehen, aber dennoch nur den eigenen Lebensentwurf verfolgen – häufig in Konkurrenz mit unserem Partner und folglich neidisch, wenn der Partner seinen Lebensentwurf scheinbar besser verwirklicht als wir den unsrigen.

Teil 7: Mit dem Neid leben?
Exkurs: Das romantische Liebesideal
Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft
Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde

Die Beziehung von Heike und Reimund steht als Beispiel für diese Zuspitzung. Anfänglich bewundert er ihren Job als Wertpapierhändlerin. Er interessiert sich für ihre Arbeit und ist neugierig darauf zu erfahren, wie sie mit den Risiken klar kommt, die unweigerlich mit dem Handeln von Aktien einhergehen. Umgekehrt fasziniert Heike an ihm, dass er zu jenen Männern gehört, die sich auch für die emotionalen Belange ihrer Partnerin interessieren – von dieser Sorte hatte sie bis dahin noch nicht so viele getroffen.

Diesen Vorzug genießt sie sehr. So öffnet sie sich ihm und offenbart ihm auch ihre Zweifel, ob sie denn überhaupt in der richtigen Branche arbeite. Anfänglich unterstützt er sie. Nach einigen Wochen bringt er seine Anerkennung immer seltener zum Ausdruck, zumindest auf der beruflichen Ebene. Weiterhin betont er aber immer wieder, wie attraktiv sie als Frau für ihn als Mann sei. Heike empfindet dies zunehmend als versteckte Abwertung beziehungsweise als Reduktion auf ihr Äußeres.

Worauf Raimund anfangs mit Neugier reagiert hat, wertet er mit einem Mal ab. Die beiden verwickeln sich in Auseinandersetzungen über das Wirtschaftssystem und Raimund unterstellt Heike eine Rolle als Profiteurin der wirtschaftlichen Ordnung. Zu dieser Zeit scheitert Reimund zwei Mal damit, sich selbstständig zu machen. Angesichts seiner Misserfolge verändert er sich zusehends und richtet seine Unzufriedenheit verstärkt auf seine Partnerin. In den Disputen über das Wirtschaftssystem lobt er sich selbst: Zum Glück sei er nicht wie sie mitverantwortlich für Ausbeutung und Armut und Sozialabbau.

Seine Veränderung geht nicht spurlos an Heike vorüber: Sie wählt plötzlich aus, was sie ihm erzählt. Obwohl sie hin und wieder euphorisch von der Arbeit zurückkehrt, vermeidet sie es immer öfter, ihre guten Gefühle in den Vordergrund zu stellen. Sie liebt ihre Arbeit, übernimmt gern Verantwortung und mag ihre Kollegen – aber ihrem Freund gegenüber äußert sie sich darüber nur noch verhalten, wenn überhaupt.

Reimund muss zusehen, wie sie an seiner Seite davon zieht und reagiert zunehmend verstimmt und aggressiv. Ihr anfänglich bewunderter Erfolg wird zum Spiegel, in den er blickt, um seine eigene Erfolglosigkeit zu entdecken. Eines Abends räumt er im ersten offenen Gespräch seit langem ein, sich als Mann total entwertet zu fühlen.
Es gelingt ihm nicht, sich über ihren Erfolg zu freuen. Vielmehr wird ihm dadurch die eigene Unzufriedenheit noch deutlicher, und dass er ihr den beruflichen Erfolg missgönnt bzw. eben schlecht redet, weil er selbst beruflich scheitert.

Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren

Mandy vergleicht sich mit Mike, denn beide verfolgen ein ähnliches Ziel: ein erfolgreiches Studium. Gerade die Einschätzung von Talenten, Fähigkeiten und Fertigkeiten hängt stark von Vergleichen mit Menschen ab, die sich mit Dingen beschäftigen, die uns selbst viel bedeuten. Doch warum vergleichen wir uns, wenn wir Gefahr laufen, dass der Vergleich zu unseren Ungunsten ausfällt?

Zu unseren Grundbedürfnissen gehört es, die eigene Situation, das eigene Befinden relativ zum Befinden eines anderen zu bewerten. Ein solcher sozialer Vergleich dient dazu, sich seiner selbst und der eigenen Stellung in der Welt zu vergewissern. Außerdem schafft der Vergleich Identität: Jemand ist anders als wir – oder ähnlich. Wir ähneln dem anderen – oder wir unterscheiden uns. Auf dieser Grundlage gelangen wir zu unserem Bild von uns selbst, in Abgrenzung von oder in Verbundenheit mit anderen.

Der Vergleich kann wie in Mandys Fall als beinharter Wettbewerb ausgefochten werden, mit Krisen und Krächen. Der Vergleich macht aber auch spielerischen Wetteifer möglich, der ein Paar anspornt und dafür sorgt, Schieflagen in anderen Bereichen wieder auszugleichen. Davon erzählen Tine und Holger: Als Programmierer sitzen beide den ganzen Tag am Schreibtisch vor dem Bildschirm. Um dem Körper Abwechslung zu gönnen, fährt das Paar im Winter gern Ski. Auf den Brettern messen sich beide miteinander.

Da Tine sich beruflich oft benachteiligt erlebt, freut sie sich darüber, beim Skifahren vorn zu liegen: „Siehst du, jetzt liegst du mal hinten!“, sagt sie in einem ihrer Winterurlaube mit Genugtuung. Und fügt dennoch hinzu: „Willst du nicht mal ein bisschen was dazulernen?“
„Nö. Mir reicht, was ich kann“, erwidert Holger gelassen und unbeirrt.

Dennoch beneidet er sie um ihre Art, Ski zu fahren. Er beobachtet sie bewundernd und wünscht sich innerlich das eine oder andere Mal, mit ihr mithalten zu können. Tine genießt es eine Zeit lang, einen Bereich zu haben, in dem sie die Nummer Eins ist. Dabei neckt sie ihn mit seinem mangelnden Ehrgeiz: „Wie kannst du dich nur mit so wenig zufrieden geben?“

Allerdings nutzt sie ihren Vorsprung nicht, um alte Zurücksetzungen zu vergelten. Vielmehr stört es sie irgendwann, dass der Mann an ihrer Seite so leicht als Wald- und Wiesenskifahrer erkennbar ist. Deswegen bietet sie nach reiflicher Überlegung an, ihm das Skifahren richtig beizubringen.

Nach einigem Zögern geht er auf ihr Angebot ein. Und sie erweist sich als gute und faire Lehrerin. Sie versucht nicht, ihm unter die Nase zu reiben, was er alles nicht kann und wie unelegant er mit seinem Fahrstil aussieht. Stattdessen baut sie ihn auf. Sie lässt ihn an ihren Erfahrungen teilhaben. Holger lernt schnell. Er fängt Feuer und entwickelt unerwarteten Ehrgeiz. Er verbessert sich auf eine Weise, die Tine manchmal gar nicht recht ist. Doch sie bereut ihre Entscheidung nicht, ihm dazu verholfen zu haben, auf einem ihr ähnlichen Niveau Ski
zu fahren.

Genauso wenig bereut Holger, sich schließlich doch von seiner Frau begeistern zu lassen. Tine fährt aufgrund ihrer längeren Erfahrung noch immer besser Ski. Sie braucht seine Konkurrenz also nicht zu fürchten. Holger ist nicht mehr neidisch auf seine Frau, denn ihm gelingt es nun nahezu problemlos, mit ihr mitzuhalten.

Tine und Holger gelingt es, die Konkurrenz und den Neid zu nutzen, sich als Paar weiter zu entwickeln. Gelingt es einem Paar nicht, den Kreislauf aus Neid, Missgunst und einer insgesamt feindseligen Atmosphäre zu durchbrechen, ist die Beziehung gefährdet. Irgendwann ist nämlich das eigene Befinden untrennbar mit dem Befinden desjenigen gekoppelt, mit dem wir uns vergleichen: Dann geht es dem einen unweigerlich schlecht, wenn es dem anderen gut geht.

Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Wenn zwei dasselbe begehren…

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?

Neid entsteht also, wenn wir etwas begehren, es nicht bekommen, aber ein anderer es bereits in seinem Besitz hat. Für das Gefühl Neid macht es zunächst keinen Unterschied, ob der Beneidete unser Partner, die beste Freundin oder ein Arbeitskollege ist. In der Liebesbeziehung allerdings sind das positive Liebesgefühl und das negative Neid-Gefühl auf ein und denselben Menschen gerichtet. Deswegen fällt es uns sehr schwer, uns zu unserem Neid zu bekennen – sowohl in unserer Selbstwahrnehmung als auch gegenüber dem geliebten Menschen.

Kretzschmars öffentliches Eingeständnis ist mutig – und gleichzeitig ein Zeichen innerer Stärke.

Der Studentin Mandy fällt es im Gegensatz zu Kretzschmar schwer, sich einzugestehen, dass sie neidisch auf ihren Partner ist: Gemeinsam mit ihrem Freund Mike ist sie seit vier Semestern an einer Bauhochschule eingeschrieben. Sie und Mike haben sich während der Vorbereitungen auf die Abiturprüfungen ineinander verliebt. Sie hat mit ihm Vokabeln gebüffelt, er hat mit ihr mathematische Formeln auseinander genommen. Sie haben es genossen, miteinander zu lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und bei den Prüfungen einander die Daumen zu drücken.

Ihr gemeinsames Interesse ist die Architektur. Deshalb bewerben sie sich an derselben Hochschule. Sie versprechen sich, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie wollen ihre Talente und Fähigkeiten zum beiderseitigen Vorteil gemeinsam nutzen. Was der eine nicht kann, soll der andere ergänzen.

Während der ersten Wochen des Studiums geraten Mandy und Mike erstmals an die Grenzen ihres Konzepts: Schnell stellt sich nämlich heraus, dass es Mike deutlich leichter fällt als Mandy, die allgemeinen Anforderungen zu erfüllen. Beispielsweise geht er sehr viel spielerischer mit Computern und Software um.

Entsprechend ihrem Beziehungsideal erwartet Mandy nun, dass Mike ihr hilft, genauso gut zu sein wie er. Mike versucht, was er kann, stellt aber fest, dass er dadurch einen Teil von Mandys Studium für sie übernimmt.

So sehr er sie liebt, so viel zusätzliche Belastung mag er nicht einfach hinnehmen. Mike fühlt sich überfordert und Mandy fühlt sich zurück gesetzt und im Stich gelassen. Sie verdächtigt ihren Freund, sie abhängen zu wollen, um keine lästige Konkurrenz im eigenen Haus ertragen zu müssen. Sie ist enttäuscht von seiner mangelnden Hilfsbereitschaft – zumal er nach ihrer Ansicht gegen gemeinsame Abmachungen verstößt. Die Enttäuschung überlagert ihre neidischen Gefühle darauf, dass ihm alles scheinbar spielerisch gelingt, während sie sich unendlich quälen muss. Das böse N-Wort selbst kommt ihr allerdings nicht über die Lippen…

Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben