Durchs Leben gewandelt…

Noch vor wenigen Jahren hätte ich einen Schrebergarten als Inbegriff eines spießigen Idylls verdammt und abgelehnt. Doch wie vieles andere auch, wandeln sich die Ansichten mit zunehmenden Alter und unter veränderten Lebensumständen: Früher ließ Australien nur Strafgefangene ins Land, ja es war das ultimative Aufnahmekriterium – heute verweigern die Australier dem vorbestraften Snopp Dogg die Einreise.

Ich habe den Schrebergarten meiner Jugend (unterhalb des Dresdner Fernsehturms) verabscheut. Heute bin ich froh, mit Freunden selber einen zu betreiben und dort meine Sonntage mit Frau, Kind und Gästen zu verbringen – abseits von überfüllten Parkwiesen und den logistischen Herausforderungen, die damit verbunden sind, ein Picknick im Grünen zu veranstalten.

Hilfe im falschen Moment

Heute habe ich mit hilfreicher Hand beinahe Schaden angerichtet: Ich gehe auf die Schwingtür einer U-Bahnstation zu, aus der Station heraus. Durch das Fenster sehe ich, wie sich von der anderen Seite eine Passantin mit Krücke nähert, die durch die benachbarte Schwingtür in die U-Bahnstation hinein will. Beherzt ergreife ich die Tür – und bringe die Frau damit massiv ins Straucheln, weil sie sich just im selben Moment mit dem Oberkörper gegen die Tür lehnt. Glücklicherweise fängt sie sich ab und humpelt weiter, in sich hinein grinsend. Ich lächle etwas gezwungen zurück. Die zweite Krücke nämlich war mir beim Blick auf die andere Seite der Schwingtüren entgangen.

Merke: Beherztes Eingreifen kann manchmal erst recht zum Zusammenbruch führen.

Achtung der internationalen Gemeinschaft

Iran hat gerade verkündet, nun auch zu den Atommächten zu gehören – am nationalen Nuklearfeiertag (Wunderliche Feiertage gibts…). Wenn ich mich recht entsinne, spuckt die iranische Propagandamaschine regelmäßig solche Meldungen aus – und dann taucht immer jemand auf, der sagt, na ja, der Iran sei dazu noch xx Jahre nicht in der Lage.

Die Reaktionen sind gewohnt empört, harsch, verurteilend. Klar, auch die US-amerikanische Regierung kommentiert das Geschehen und sieht darin „ein neues Zeichen der Missachtung der internationalen Gemeinschaft„.

Nanu. Ist das nicht gang und gebe, international? Kein Land schert sich um die internationale Gemeinschaft, wenn nationale Interessen berührt sind. Das machen die Amis (siehe Irakkrieg, Guantanamo) nicht, die Chinesen (siehe Darfur) nicht und die Russen (siehe Tschetschenien) nicht. Warum verlangen nun ausgerechnet die Amis von den Iranern, was ihnen selbst schnurzpiepe ist, wenn sie es für sinnvoll halten? Bizarre Welt.

Kurt „ahnungslos“ Beck

SPD-Chef Becks Vorschlag, mit moderaten Taliban das Gespräch zu suchen, konterte der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta ungewohnt undiplomatisch mit beißender Ironie:

„Ich habe mich sehr gewundert darüber, weil wir in Afghanistan seit geraumer Zeit moderate Taliban suchen und nicht finden. Wenn westliche Politiker sowas haben, können sie uns die Adresse und Kontaktpersonen geben, damit wir uns mit ihnen auseinandersetzen können.

Es so darzustellen, dass wir in Afghanistan moderate und nicht-moderate Taliban oder Al Kaida oder sowas haben, das ist das gleiche wie wenn ich von Afghanistan oder von Kabul aus sagen würde, man sollte in Rheinland-Pfalz zum Beispiel mit der NPD eine Koalition schließen, oder mit moderater NPD.

So eine Klassifizierung ist eine Erfindung von denjenigen, die von Afghanistan keine Ahnung haben.“

Der Mann kennt Deutschland auf jeden Fall besser als Herr Beck Afghanistan.

Quelle: SWR, ARD-Hörfunkstudio Südasien

Wundenheilung

Wenn es nur sonst so „einfach“ ginge: Das traumatisiernde Ereignis, den letzten Kampf, die verbliebene offene Wunde nach zehn Jahren mit bester Vorbereitung und für viel Geld erneut inszenieren – und es anders enden lassen als bei ersten Mal. Wie in einer Zeitschleife, in der der Held noch einmal von vorn beginnen kann, um Geschehenes ungeschehen zu machen. Und schon ist das Trauma bezwungen, der Bann gebrochen, der innere Frieden wieder hergestellt. Glückwunsch, Henry Maske.

Leider ist eine solche Chance nur wenigen Traumatisierten vergönnt. Die meisten haben einen weiten, psychotherapeutischen Weg zu gehen. Einigen lindert EMDR das Trauma.

Maske vs. Hill

Kommentar von Harald Schmidt heute in der Sendung zum Boxkampf am kommenden Samstag: „Ich versteh ehrlich gesagt nicht, warum da so ein wahnsinniger Hype drum gemacht wird. Ich meine, was ist besonderes dran? Ein arbeitsloser Ossi geht auf einen Schwarzen los.“

Bloggen für Carl Auer

Gerne habe ich die Einladung des Carl-Auer-Verlages angenommen, ab dem heutigen Montag die Systemische Kehrwoche zu übernehmen.

Bloggen ist ja eine gute Möglichkeit, recht schnell eine Öffentlichkeit zu erreichen, wie sie a) durch herkömmlichen Medien mit so wenig Aufwand kaum erreichbar wäre und die b) durch Vernetzung rasch an Größe gewinnen (kann). Die Blogosphäre (die Gesamtheit aller Weblogs) umfasst laut des Zähl-, Such- und Vernetzungsangebots Technorati inzwischen etwa 70 Millionen Online-Journale. Täglich kommen rund 100000 hinzu. Den Geheimdienst, der darüber den Überblick behalten wird, möchte ich gerne kennen lernen – auch wenn Bloggen bspw. in Ägypten ziemlich gefährlich sein kann. Hier in unseren Breiten, im täglichen medialen Hupkonzert um die Aufmerksamkeit unserer Hirne, hat das Bloggen ja deutlich weniger Einfluss. Aber dieser reicht immerhin bis nach China: Ein chinesisches Gericht versucht nämlich einen Blogger aus Berlin zu verklagen.

Doch soviel Staub werde ich in dieser Kehrwoche wohl nicht aufwirbeln…

Auer-Blog-Gastautor

Ab morgen, Montag, den 26.03.2007, werde ich für sieben Tage das Weblog „Systemische Kehrwoche“ des Carl-Auer-Verlages in Heidelberg befüllen.

Nebenbei will ich Herrn Puchmayer gern den Gefallen tun und einen Link auf sein Weblog einrichten.

Und was gibt’s ansonsten zu melden? Der Sohn geht erstmals auf eigenen Beinen durch den Flur, wackelig noch, aber frei. Und er sagt: „Papa“ sowie „Wauwau“. Papa noch nicht so ganz klar in meine Richtung, aber immerhin – und Wauwau? Na ja, alle nicht-Menschen sind Wauwau: Hunde, Tauben, andere Vögel, Katzen, Mäuse, egal ob in echt oder als Abbildung beispielsweise auf der Hundefutterdose.

Faszinierend sind auch seine Umarmungen: Er wirft sich einem an den Hals und klopft mir dabei mit der linken Hand auf die Schulter. Er scheint seine Umgebung sehr genau zu studieren.

Vergebung für den Eislauftrainer?

Nachdem ich „Gnade für Terroristen“ gefordert habe und bereits ein paar Tage später den Terroristen wieder in Ungnade („Klartext oder Erlösergebrabbel?„) fallen ließ, stellen sich seit einiger Zeit bei einem anderen, der sich auf seine Weise schuldig gemacht hat, ähnlich gelagerte Fragen: Verzeihen? Vergeben? Vergessen?

Der Chemnitzer Eiskunstlauftrainer Ingo Steuer hat zwischen 1985 und 1989 mit der Stasi kooperiert und dafür ein paar Tausender Ostmark eingesackt. Heute ist er immer noch nicht bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Da ist er sich mit Herrn Klar einig, der ja nur deswegen so gehandelt hat, weil ihn das böse kapitalistische System dazu gezwungen hat. Auch Steuer war ein Opfer des Systems, das ihn zwang, um seines sportlichen Talents willen als Stasi-Mann zu agieren.

Von Anfang an handelt Steuer radikal karrieristisch. Er räumt alle Hindernisse aus dem Weg, die seinen Zielen im Wege stehen, im Zweifelsfall durch Korruption, aber auch durch schlichtes Lügen: Er antwortete „Nein“ auf die Frage nach früheren Stasi-Kontakten, als er von der Bundeswehr eingestellt werden wollte. Er tut alles, was in seiner Macht steht, um heute seine Schäfchen ins Trockene zu bringen bzw. seinen Traum vom Eislaufen und vom Trainer-Sein zu erfüllen.

Darf ein eingestandenermaßen korrumpierbarer, opportunistischer Charakter Vorbild für die Jugend sein? Oder darf eine gewisse moralische Integrität erwartet werden von einem, der Jugendliche mit Staatsgeldern trainiert? Wo unterscheidet sich ein Trainer Springstein, der dopt und damit Körperverletzung begeht, von einem Trainer Steuer, der lügt, sich rechtfertigt, keinerlei Einsehen signalisiert? Der eine dopt seine Sportler, der andere konfrontiert sie mit seinem zweifelhaften Charakter: Für meine Karriere gehe ich mit jedem ins Bett, auch mit der Stasi.

Bei Verfehlungen moralischer Art, die nicht justiziabel sind, darf zumindest auf nachträgliche Einsicht gehofft werden. Wer aber weiterhin allein die Umstände für die eigenen Verfehlungen verantwortlich macht, darf auch die Erfolge nicht nur für sich allein verbuchen. Steuers Siege in den 1990er Jahren sind auch späte Siege der Stasi. Die Stasi hat Steuer gemacht. Sie hat den erfolgreichen Eislaufkünstler Ingo Steuer erfunden. Wenn Steuer sich heute so groß aufblasen muß („Wenn ich aufs Eis gehe, denke ich, dass ich der beste Trainer der Welt bin“), dann auch, weil er weiß, welch kleiner Wicht er heute wäre, wenn er damals nicht so mächtige Gönner gehabt hätte.

Flatrate-Saufen bei Jugendlichen

Weil ein Berliner Schüler im Sauf-Koma liegt, geraten die Erwachsenen plötzlich in einen Sorgen-Rausch: Verbote, Regelungen, Kontrollen müssten her. Souverän unterlief Harald Schmidt heute in seiner Sendung die Betroffenheitsorgie: „Gerade wir Älteren müssen uns da an die Alkoho…, an die Nase fassen. Wir sollten Vorbild sein. Ich sage zum Thema ’saufende Jugend‘: Wer von Euch ohne Fehler ist, der werfe die erste Runde.“