Heute vor 21 Jahren…

… „habe ich rübergemacht“, wechselte von Ost nach West, von Dresden in die Fremde, „vom Regen in die Jauche“ (Biermann). Am Tag zuvor aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen, betrat ich auf dem Frankfurter Hauptbahnhof westlichen Boden. Ein unerhörtes Ereignis für einen 21jährigen DDRler. Der laute Knall, mit dem sich die Tür „DDR“ hinter mir schloss, dröhnte mir lange in den Ohren. Eine Rückfahrkarte gab es ja nicht.

Dreieinhalb Jahre, bis zum Fall der Mauer blieb mir der Zugang versperrt, trotz wiederholter Einreiseversuche. Ich war selber überrascht, wie sehr sich die Sehnsucht nach diesem eigenartigen, absurden Land, aber vor allen den Menschen dort nach und nach zu einer fixen Idee aufschaukelte. Hätte ich die Wahl gehabt zwischen 6 Monaten in den USA oder zwei Wochen in der DDR, hätte ich umstandslos das DDR-Ticket gelöst. Konsequenterweise brach ich dann im November 1989 meine Reise in die USA und nach Australien ab – und flog zurück von Honolulu (Hawaii) nach Frankfurt, reiste weiter nach Berlin und betrat vier Tage nach dem Mauerfall erstmals wieder ostdeutschen Boden. Ich setzte mich in einen Zug der Deutschen Reichsbahn und fuhr nach Dresden.

In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten wurde klar: Erst als ich endlich wieder die Möglichkeit hatte, heimatlichen Boden unter den Füßen zu spüren, nahm meine Rast- und Ruhelosigkeit überschaubare Ausmaße an.

Wahlmaschinen: Nein, danke!

So wenig wir Wahlstifte brauchen, um unsere Abgeordneten zu wählen, so wenig sind dafür Wahlmaschinen nötig – zumal sie als „Black Box“ keiner Kontrolle zugänglich und für Manipulationen anfällig sind.

Der Hack der holländischen Bürgerinitiave „Wir vertrauen Wahlcomputern nicht“ im Oktober 2006 belegt das: Zunächst sprach der Geschäftsführer des Herstellers (NEDAP) davon, Hacker absolut hätten keine Chance, das Gerät zu manipulieren. Dass man auf den Wahlmaschinen auch Schach spielen könne, würde er gern vorgeführt bekommen. Nachdem die Bürgerrechtler zwei Speicherbausteine in der Maschine ausgetauscht hatte, erfüllten sie den Wunsch des NEDAP-Geschäftsführers: Sie installierten ein Schachprogramm. Der Wahlcomputer eröffnete d2 auf d4.

Öffentliche Petition zur ersatzlosen Streichung von § 35 Bundeswahlgesetz (Stimmabgabe mit Wahlgeräten).
Der CCC beobachtete die Cottbuser OB-Wahl. Außerdem: Cottbus zieht Konsequenzen und verabschiedet sich von Wahlcomputern.
Interview mit dem holländischen (H)A(c)ktivisten Rop Gonggrijp zu Wahlcomputern und dem NEDAP-Hack, den er mitverantwortet: Eine Nicht-Lösung eines nicht existierenden Problems.

Wahlstifte für Hamburg – Nein, danke!

In Hamburg werden zur Bürgerschaftswahl 2008 flächendeckend so genannte digitale Wahlstifte eingesetzt. Ein solcher Stift ist mit einer Doppelfunktion ausgestattet: Damit lässt sich auf Papier ein Kreuz machen, und im selben Moment wird die Wahlentscheidung elektronisch erfasst. In Rheinland-Pfalz wurden die Stifte getestet: Wahlstift-Test bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 2006, mit ernüchterndem Ergebnis. Es spart kaum Zeit, die Ergebnisse müssen korrigiert werden, das Wahlgeheimnis ist gefährdet.

Weitere Infos zu Wahlstiften/elektronischer Stimmabgabe:
23C3: „Das Bundesinnenministerium hat das Wahlrecht gehackt“
Heise-Meldung zur Wahlstiftentscheidung in Hamburg
GAL Hamburg kommentiert die Senatsentscheidung zum Wahlstift
Test der Wahlstifte in Hamburg-Wandsbek 2005
Empfehlungen des Europa-Rates zur elektronischen Stimmabgabe

Expertentreffen zur elektronischen Stimmabgabe

Gibt es Möglichkeiten, dagegen etwas zu unternehmen? Oder müssen wir zunächst auf Gerichtsurteile warten?

Vier Jahre…

Vier volle Jahre sind heute vergangen,
seit wir uns trafen, zu uns zu gelangen.
Jahre voll Kurzweil
und voller Genuss,
Jahre, die zwingen, davon mehr zu verlangen.

Vier Jahre Bewegung, Erkenntnis, Lachen,
besonnen steuern wir unseren Nachen.
Und wenn es regnet
oder mal schneit,
steigen wir aus und nehmen den Drachen.

Vier Jahre so prächtig wie niemals zuvor,
brachte die Liebe ein Kindchen hervor.
Ich bin so voll Glück,
schau wonnig zurück,
und will mit Dir sein, bis ich bin ein Senior.

Copyleft: Thomas Zimmermann. All rights reversed.

Dresden streitet ums Erbe

Jetzt hat das Oberverwaltungsgericht in Bautzen entschieden: Die Waldschlösschenbrücke in Dresden muss sofort gebaut werden. Der Bürgerentscheid pro Brücke darf nicht länger aufgeschoben werden. Und nun? Weltkulturerbe adé?

Ich bin mit dem Blick aufs weltkulturelle Erbe aufgewachsen – damals sicher nicht so schön rausgesputzt, ohne Frauenkirche und ohne offiziellen UNESCO-Status. Mich irritiert die ganze Diskussion, manchmal erheitert sie mich. In Dresden sind seit dem 2. Weltkrieg in viel größerer Nähe zum so genannten Canaletto-Blick höchst hässliche Bebauungen entstanden. Darunter ist auch eine betongraue Elbquerung, die ihre Umgebung massiv beleidigt. Diese Brücke grenzt unmittelbar an die Brühlsche Terasse und das sonstige barocke Ensemble. All das hat das Welterbekomitee nicht abgehalten, den begehrten Status zu verleihen.

Warum also diese Debatte um eine Brücke, die fünf Kilometer flussaufwärts gebaut werden soll? Oder ist es doch das Tal (18 km vom Ostragehege bis nach Pillnitz), der Flusslauf, die weiten Elbwiesen und irgendwann auch der Blick auf die alten Steine, die ins Erbe der Weltgemeinschaft aufgenommen wurden? Die UNESCO-Angaben dazu schaffen Klarheit.

Flatrate-Saufen bei Jugendlichen

Weil ein Berliner Schüler im Sauf-Koma liegt, geraten die Erwachsenen plötzlich in einen Sorgen-Rausch: Verbote, Regelungen, Kontrollen müssten her. Souverän unterlief Harald Schmidt heute in seiner Sendung die Betroffenheitsorgie: „Gerade wir Älteren müssen uns da an die Alkoho…, an die Nase fassen. Wir sollten Vorbild sein. Ich sage zum Thema ’saufende Jugend‘: Wer von Euch ohne Fehler ist, der werfe die erste Runde.“

Harte Zeiten für Bienen

Gestern habe ich im Weblog des Carl-Auer-Verlages auf einen Beitrag reagiert, der sich über sprachliche Nachlässigkeiten, Ablenkungsmanöver und über beschönigende Wortwahl ausläßt. U.a. nimmt sich der Auer-Blogger der Akronyme (ALG 2, fMRT) an. Die nennt er einen heute beliebten Trick bei der Formulierung unangenehmer Sachverhalte. Dem kann ich nicht folgen, da Akronyme nicht erst heute Sprache verdichten, sondern schon zu Kaisers Zeiten. Und das keineswegs nur, um zu verschleiern.

Prompt lerne ich heute durch einen Artikel auf der SZ-Wissenschaftsseite ein neues Akronym kennen: CCD – colony collapse disorder. Bienenforscher nennen so den unerwarteten (und heute offenbar noch unerklärlichen) Zusammenbruch eines Bienenvolkes. Dieses Akronym lenkt nicht ab und verschleiert nicht. Die Störung ist eine ernsthafte Bedrohung des ökologischen Gleichgewichtes. Schon die FAZ berichtete 2004 aus Frankreich von einem mysteriösen Bienenvolksterben. Die französischen Bauern machten die deutsche Chemie-Industrie und deren Pestizide dafür verantwortlich.

So nahe liegend es ist, an Chemie (Pestizde, Insektizide) und GMO (Genetically Modified Organism; bspw. Genmais) zu denken, um das Bienenvolksterben zu erklären, so einfach ist es nicht. Die Antworten auf häufig gestellte Fragen einer CCD-Arbeitsgruppe im mittleren Westen der USA belegen das.
Momentan intensiver untersuchte Hypothesen sind:

  • chemische Rückstände im Wachs, den Nahrungslagern, im Körper der Bienen
  • bekannte und unbekannte Krankheitserreger
  • Parasitenbefall
  • Ernährungszustand der erwachsenen Bienen
  • erhöhtes Stressniveau der erwachsenen Bienen
  • eingeschränkte genetische Vielfalt

Und warum ist das alles so bedeutsam, ja vermeintlich bedrohlich? Die Bienen sind ein zentrales Glied in der Kette der Nahrungsproduktion. Bienen befruchten in den USA Pflanzen im Wert von geschätzten rund 18 Milliarden Dollar. In Europa gehen laut Süddeutscher Zeitung 5 Milliarden Euro Wertschöpfung in der Landwirtschaft auf die Bienen-Bestäubung zurück.

Der lange Weg zum aufrechten Gang

Ganz begeistert waren heute Papa (Das ist ja phantastisch!), Mama (Super!) und Sohn (strahlte über beide Ohren) als der Kleine das erste Mal aus der Klappmesserstellung den Oberkörper aufrichtete und mehr als fünf Sekunden selbständig stand. Das vollbrachte er dann noch einige Male mehr – und fühlte sich prächtig dabei.

Ich bin erstaunt, wie sehr mich die kindliche Entwicklung mitreißt, wie sehr es mich berührt, wenn das Kind plötzlich auf schwankenden Beinchen das Gleichgewicht hält. Da sich der Zwerg schon seit Oktober (etwa) an Wänden, Schränken, Stühlen oder meinem Hosenbein aufrecht halten kann, habe ich allerdings viel früher mit dem ersten selbständigen Schritt gerechnet. Eine überschießende Erwartung, ein Trugschluss, meiner Ungeduld geschuldet. Ich habe das Ergebnis gesehen, aber nicht den Weg dahin. Sich irgendwo hochzuziehen und dann zu stehen, ist eben doch eine andere Leistung als sich aus eigener Kraft aufzuklappen. Allerdings ist mir nun von erfahrener Seite versichert worden, dass Aufrichten und tatsächliches Gehen innerhalb von ein, zwei Wochen ins kindliche Programm aufgenommen werden.

Ich bleibe gespannt und voller Erwartungen. Mit der Kindsmutter außer Konkurrenz ist ansonsten gegenwärtig nichts so unterhaltsam wie das Kind.

Die Perfektion

Die Perfektion liebt mich,
früh sah ich es kommen,
macht mich mal kaputt,
mal gänzlich benommen.

Sie lähmt, sie behindert,
frisst sich in mein Herz,
ich leide unsäglich
und hasse den Schmerz.

Sie richtet mein Leben,
gräbt sich in mein Denken,
es gibt keinen Ausweg,
verflucht sei ihr Lenken.

Die Perfektion stachelt,
das merke ich ständig,
sie bringt mich in Wallung
und hält mich lebendig.

Sie schmeichelt, sie wärmt,
sie sonnt das Gemüt,
dann ist sie mir nah,
ist wohl doch mein Geblüt.

Sie drängt mich zu handeln,
sie bringt mich nach vorn,
ich kann wohl nicht anders,
nun gelobt sei ihr Dorn.

Die Perfektion, selig,
ich kann es kaum fassen,
bezwingt mich alltäglich,
ich will nicht von ihr lassen.

Copyleft: Thomas Zimmermann. All rights reversed.

Typisch weiblich? Typisch männlich?

Die S?ddeutsche Zeitung beauftragte zum Weltfrauentag 11 Autorinnen ?ber 11 Adjektive zu sinnieren, die als typisch weiblich gelten bzw. die Frauen immer wieder gerne als Etikett angeklebt werden: konsensfähig, einf?hlsam, kommunikativ, bescheiden, fleissig, ergebnisorientiert und noch ein paar andere.

Heraus kam eine feine Sammlung: „Lauter falsche Komplimente„.

Ganz erstaunlich verquer hingegen nimmt sich das Hamburger Abendblatt des Themas an: „M?nner und Frauen – wie in der Steinzeit„. Dort werden vermeintliche Forschungsergebnisse ?ber das Gehirn und den Unterschied der Geschlechter miteinander verr?hrt. Und der Autor schlie?t aus alledem, M?nner und Frauen und ihre Gehirne tickten so wie damals in den H?hlen.

Dass einer sich 60 Zeilen nimmt, um soviel Halbwissen zu Gehirn, Geschlechtern und Genen zu offenbaren, ist schon fast wieder beeindruckend, auf jeden Fall mutig. ?rgerlich ist nur die Rechtfertigungspose: Er bewerte nicht, er stelle nur fest. Was der Autor feststellt, ist allerdings keineswegs neu, sondern altbew?hrter Geschlechter-Zement: Frauen k?nnen kaum anders als am Herd zu stehen und die Kinder aufzuziehen. M?nner m?ssen jagen, wettbewerben, Macht spielen. Dass die Unterschiede innerhalb der M?nner- und der Frauengruppen h?ufig viel st?rker ausgepr?gt sind als zwischen den Geschlechtern, ist ebensowenig eine neue Erkenntnis. Aber in diesem Text hat soviel Differenzierung keinen Platz.

Und noch etwas: Selbst wenn sich Volumen und Architektur des Gehirns in den vergangenen 50000 Jahren nicht ver?ndert haben, so haben sich doch die Verschaltungen mit denen diese Architektur funktioniert und der verarbeitete Inhalt immer wieder verwandelt, von der Umgebung, in der dieses Gehirn wahrnimmt, interpretiert und kommuniziert einmal ganz abgesehen.