IGLU, PISA & Co.

Die Reaktionen auf die Lesestudie IGLU (pdf) und die vorab veröffentlichten PISA-Ergebnisse sind irritierend: Deutsche Schüler schneiden diesmal besser ab als in den vorangegangenen Tests. Deshalb werden die Ergebnisse nun von der politischen Klasse zum Nennwert genommen. Was draufsteht, muss auch drinstecken.

Sämtliche Kritik an Erhebungs- und Auswertungsmethodik und der mangelnden Vergleichbarkeit können – so ist die Botschaft – vernachlässigt werden. Passen die Ergebnisse, ist es also völlig wurscht, wie sie entstanden sind und wie sie ausgewertet werden. Wenn die Ergebnisse nicht passen, wird minutiös das Studiendesign auseinander genommen oder behauptet, die Studie sei einfach nicht in der Lage das deutsche Schulsystem abzubilden.

Neue Väter hat das Land

Die offiziellen Elterngeld-Zahlen weisen den Trend aus: Es gibt sie, die neuen Väter – zu beobachten beim Baby-Schwimmen, auf Spielplätzen, in Pekip-Gruppen. Noch ist es nicht die Hälfte der Elterngeldanträge, die von Männern gestellt werden. Aber die Väter holen auf. Und werden zu Experten.

Experten für Körpercremes: Shea Butter? Olivenöl? Budnikowsky chemiefrei?
Wunde Hintern heilen: Mit Extrakt vom schwarzen Tee? Durch frische Luft? Beides? Erdöl-basiert?
Essen: Nur selbst zubereitet? Wie viel Soja ist verträglich? Milch homogenisiert? Oder nicht? Alles nur Bio? Oder Aldibiomix?

Hinzu kommt: Väter reden mit ihren Kindern, auch mit den sehr kleinen, die selber noch gar keinen Text zurück geben können. Erklären, was sie gerade tun und warum. Väter tun also vieles, was ihnen qua Vorurteil häufig gar nicht zugetraut wird.

In solchen Zeiten bräuchten sich nur noch jene Männer ein Herz zu fassen, die immer noch behaupten, ihr Arbeitgeber würde sie schräg anschauen, wenn sie sich stärker um die Kinder kümmerten. Demnächst werden nämlich solche Arbeitgeber schräg angeschaut… Aber manchmal sind es ja auch Frauen, die gar nicht wollen und aktiv verhindern, dass ihre Männer aufholen in den Kinder-Versorgungs-und-Betreuungs-Kompetenzen.

Falsche Fingerabdrücke funktionieren

Das ARD-Magazin PlusMinus dokumentierte heute Abend (Video), wie grotesk einfach es ist, das Fingerabdruck-Bezahlsystem der Einzelhandelskette Edeka auf Kosten Dritter auszuhebeln. In einstündiger Arbeit nahm Starbug vom CCC Berlin den Fingerabdruck eines Edeka-Kunden (Plusminus-Reporter) von einem Glas ab und fertigte mittels Digitalfotografie und etwas Holzleim eine Kopie. Die haut-dünne Kopie zog sich ein anderer Plusminus-Reporter über die Fingerkuppe. Damit ging er ohne Beanstandung durch das Bezahlsystem einkaufen.

Wie leicht diese Systeme zu überwinden sind, zeigte Starbug bereits auf dem Easterhegg 2005. Irritierend ist, dass a) Edeka seinen Kunden ein bereits kompromittiertes System unterjubelt und dass b) seit Frühjahr 2005 die technologische Entwicklung scheinbar stillsteht. Eine Dokumentation zur Herstellung von Fingerabdruck-Kopien findet sich in der Datenschleuder Nr. 87 (pdf), ebenfalls aus dem Jahr 2005.

Edeka verweist darauf, dass diese Scanner sogar von amerikanischen Regierungsbehörden freigegeben seien. Als ob nun ausgerechnet Regierungsbehörden, noch dazu amerikanische, gegen Unsinn gefeit wären.

Immer mehr MVZ

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind fachübergreifende, ambulante Versorgungsangebote, 2004 in §95 des fünften Sozialgesetzbuches aufgenommen. Deren Träger sind Zusammenschlüsse niedergelassener Ärzte, Krankenhäuser oder Managementgesellschaften. Neueste Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) belegen ein ungebrochenes Wachstum dieser neuen Versorgungsform: Inzwischen gibt es in Deutschland 880 MVZ. In denen arbeiten rund 3600 Ärzte, davon etwa zwei Drittel angestellt. MVZ beschäftigen also etwa 2,7% aller im ambulanten Bereich praktiziererenden Ärzte.

Das klingt zunächst nicht nach viel. Wenn aber dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) gelingt, was er in der Region Kassel beabsichtigt, könnten irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft auch die Krankenkassen selbst MVZ betreiben – und die Niedergelassenen hätten einen wirklich mächtigen Konkurrenten am Hals: Testlauf für den Kassenarzt (FTD 18.10.2007).

Es bleibt spannend im deutschen Gesundheitssystem…

Kindersprech – anspruchsvoll

Morgens, ins Müsli, bekommt unser Sohn ab und an Rosinen. Wenn er danach verlangt, klingt das phonetisch umschrieben etwa so: „Ro! Si! Nen! Ro! Si! Nen!“ Dabei kann es sein, dass er die Fingerkuppen fordernd auf den Tisch schlägt.

Heute verstärkte das Kind den üblichen Befehlston mit dieser köstlichen Wendung, wo auch immer er sie aufgeschnappt hat: „Ich muss das mal haben!“

Als Schweriner Oberbürgermeister…

… erweisen Sie sich, Herr Norbert Claussen (CDU), gerade als vorbildhaft loyaler und damit schätzenswerter Dienstherr Ihrer Verwaltungsangestellten.

So löblich dies aus Sicht der Mitarbeiter sein mag, so merkwürdig muten doch die Sätze an, die wir gerade öffentlich vernehmen: „Aus den Gesamtumständen ergab sich für den Sozialarbeiter kein Hinweis auf eine Kindeswohlgefährdung.“ Zumal die Sozialarbeiter ja auch alle Vorschriften genau eingehalten haben. So loyal Sie als Dienstherr sind, so sehr sind Ihnen Mitarbeiter zu wünschen, die im Zweifelsfall die Vorschriften übertreten.

Doch so richtig derbe bagatellisieren Sie die Verantwortung der städtischen Behörden, wenn Sie das Schicksal bemühen: „Es hätte in jeder anderen Stadt passieren können, und der, dem es passiert ist, hat in diesem Fall Pech gehabt.“ Vorschriften eingehalten und Pech gehabt = totes Kind. Kann überall passieren. Kommt alle Tage vor (Kevin, Bremen; Jessica, Hamburg – um die bekanntesten Namen aufzuzählen) – und: Wenn es den anderen auch so geht, kann am Ende keiner etwas dafür!?

Herr Claussen, sind Sie tatsächlich Jura-Studienabrecher und dann 1990 im Osten zu einer neuen Karriere gestolpert? Das erklärt manches: In der Krise lässt sich Unvermögen nicht länger verheimlichen. Möge auf soviel Hochmut, Selbstgerechtigkeit und Eiseskälte alsbald Ihr Sturz folgen!

Wünscht sich der Zettmann.

Hamburger Wahlstift im ZDF

In „Drehscheibe Deutschland“ im ZDF lief am vergangenen Montag ein Stück über den Digitalen Wahlstift. Irgendwie haarscharf vorbei an der aktuellen Debatte. Zu früh produziert, um die Entwicklungen der Vorwoche aufzunehmen. Nicht mal die Info, dass der Stift nach einer Entscheidung der Bürgerschaftsfraktionen im Februar definitiv nicht eingesetzt wird, ließ sich noch unterbringen. Journalistisch zudem recht unbedarft, weil Behauptungen des Landeswahlamtes ungeprüft gesendet werden.

Ich frage mich: Was wollte das ZDF seinen Mittagszuschauern damit sagen? Die Botschaft am Ende: Solche Systeme bräuchten Vertrauen. Aber warum sollten wir als Wähler einem Abstimmungserfassungsprozess vertrauen, den keiner durchschaut? Warum sollte ich mich einem System unterwerfen, dass ich nicht mehr kontrollieren kann?

DAK-Motivationstest online

Ich habe in den vergangenen Wochen einen Motivationstest für das Internet-Angebot der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) entwickelt. Zentrale Frage: Wie ist die Motivation des Testanwenders, ein bestimmtes, gesundheitsbezogenes Ziel (bspw. Rauchen abgewöhnen, mehr Bewegung) zu erreichen?

Der Testablauf: 11 Fragen zu Zielbindung, Handlungskontrolle und Problemlösen erfassen die Motivationslage.

Testauswertung: Die Rückmeldung liegt möglichst nah an den jeweiligen Benutzereingaben – und variiert abhängig vom Antwortprofil. Ich versuche also nicht wie üblich, vorgestanzte Textblöcke auszugeben. Vielmehr ist die Ausgabe so gestaltet, dass sie die Eingaben ernst nehmen und spiegeln.

Probiert den Test aus – und meldet mir zurück, wie er gefällt. Könnt Ihr mit der Test-Auswertung etwas anfangen? Hat der Test einen Nutzen?

Schreibt mir an motivation-at-zettmann-punkt-de!

Kindersprech – die erste Simulation

Unser Sohn sitzt auf dem Kinderstuhl, hebt die Arme und sagt: „Ich weint.“ – Dann fängt er an zu weinen bzw. er tut so, als sei er ein weinendes Kind. Am Ende der schauspielerischen Einlage geht das Wimmern und Greinen in Lachen über, in wissendes Lachen: Er weiß um die Inszenierung.

Ein erstaunliches Repertoire für ein Kind, das noch keine zwei Jahre alt ist. Faszinierend.

Kind und Zähne putzen, update 3

Der sprachliche Variantenreichtum des Kindes nimmt stetig zu, mit teilweise verblüffenden Effekten. Seit kurzem verwendet der Kleine bspw. zeitliche Bezüge. Und setzte sie nun erstmals bei der immer noch problematischen Kommunikation rund ums Zähneputzen ein. (Soll heißen: Singen hilft nicht, Buch angucken hilft nicht…)

Ich: „Du mußt noch Zähne putzen!“
Er: „Heute nicht. Nein, nein, nein.“

Wie Diskussion ausging? Er schleckt die Bürste ab – weigert sich, zu bürsten. Ich versuche noch zweimal die Bürste hin und her zu ziehen – und gebe dann auf.

Beruhigend ist: Morgens, wenn Kindchen ausgeschlafen ist, funktioniert das Zähneputzen deutlich besser als abends, wenn die Müdigkeit sich schon seiner bemächtigt hat. Beunruhigend ist: Abends ist die Zahnreinigung bekanntermaßen deutlich wichtiger.