kinder zum schlafen bringen…

Neulich erzählte mir ein Bekannter, wie er manchmal seine Tochter dazu bringt, zu schlafen: Er droht mit einem Ungeheuer, das sie abholen würde. Seine Frau macht dann im hinteren Teil der Wohnung ein Klopfgeräusch. Das Kind erschrickt und bekommt Angst, tatsächlich abgeholt zu werden. Dann fügt es sich dem unvermeidlichen…
Er nennt es einen „Trick“. Aber ist es ein Trick, einem Kind Angst einzujagen, um es gefügig zu machen? Oder ist es Hilflosigkeit? Verzweiflung der Eltern?

Das Kind ängstigen, um es zum Schlafen zu bewegen? Verheerend, wenn ich mir vorstelle, wie auf diese Weise ein allgemeines Angstklima erzeugt wird, das in das Kind hinein gepflanzt wird. Was passiert, wenn das Kind alt genug ist, das Ungeheuer herauszufordern? „Komm doch her, du blödes Ungeheuer. Zeig dich. Versteck dich nicht länger…“

Was machen Eltern dann? Oder wird die Angst so groß sein, dass das Kind nicht mutig genug sein wird, so aufzutreten? Oder bewerte ich all das über? Weil Geister/Weihnachtsmänner/Nikoläuse/Butzemänner sowieso regelmäßig bemüht werden, Kinder zu zähmen?

Ich bin gespannt, wann mich mein Sohn so sehr an meine Grenzen treibt, dass ich auch keinen anderen Ausweg mehr sehe, als externe Mächte zu Hilfe zu holen…

jana hensel: zonenkinder

etwas klagsam, aber doch mit großer leidenschaft beschreibt jana hensel die situation ihrer „generation“ zu zeiten des mauerfalls und danach: kinder, die 1989 teenies waren. pubertierende, nicht reif genug, um die neue zeit sofort mit offenen armen begrüßen zu können. eher irritiert vom verlust dessen, was bisher als selbstverständlich galt.
gleichzeitig waren diese kids schon zu alt, um die plötzlich verschwundene DDR schnell abzustreifen wie ein altes, abgetragenes hemd, das man nur trug, weil es kein besseres gab, nicht weil man es lieb gewonnen hatte. die jana hensels dieser zeit hatten dieses seltsame land bereits lieb gewonnen…

ich bin etwa 10 jahre früher in diese zone hineingeboren worden. mir ist die ambivalenz sehr vertraut, die viele menschen mit diesem teil deutschlands verbunden hat. einerseits war dieses land einem ein jahrelanger, ausrechenbarer, irgendwie auch vertrauter weggefährte, der zwar ein bisschen meschugge daher kam, aber im grunde seines herzens ganz ok war und gutes wollte. andererseits hasste man es für all die uneingelösten hohen ansprüche, insbesondere die moralische überheblichkeit, mit der sich das gebilde zur größten DDR der welt aufschwang.

„Herr Doktor, kriege ich denn nun den Alzheimer?“

Ich besuche eine Patientin, 84 Jahre alt. Das Gespräch ist zu Ende. Ich habe meine Jacke bereits wieder angezogen. Sowohl mir als auch der Patientin ist klar, dass sich ihre Gedächtnisleistung seit meinem letzten Besuch verschlechtert hat.

Plötzlich greift sie nach meiner Hand und fragt: „Herr Doktor, krieg ich denn jetzt den Alzheimer?“ Dabei schaut sie eindringlich und ernst. Ich zögere eine Sekunde und sage dann: „Ich sehe, Sie wollen eine offene Antwort. Ich weiß um ihre körperlichen Erkrankungen: Herzinfarkt. Bypässe. Hochdruck. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie an etwas anderem sterben, bevor einen Alzheimer kriegen.“

Die Patientin ist immer noch ernst, aber ihr Blick hellt sich deutlich auf. Sie sagt: „Herr Doktor, das beruhigt mich jetzt aber. Vielen Dank.“

und die moral von der geschicht? der situation und der person angemessene offenheit helfen betroffenen mit beginnenden gedächtnisbeeinträchtigungen häufig mehr als jedes drucksen oder verleugnen.

Warum Karriere?

Diese Rubrik widmet sich meiner Arbeit – als Wissenschaftler, als Berater, als Autor. Ich habe das Glück, dass ich das, womit ich Geld verdiene, ausgesprochen gern tue. Ich arbeite, während ich lerne. Und ich lerne, während ich arbeite.

Den größten Teil meiner Arbeitszeit verbringe ich mit Menschen, die zwischen 78 und 91 Jahren alt sind. Ich besuche sie daheim für anderthalb bis zwei Stunden, und unterhalte mich mit ihnen über ihr Gedächtnis. Lässt sich etwas Spannenderes und Unterhaltsameres vorstellen?

warum kinder?

seit ich vater bin (20.01.2006) hat sich mein blick auf die welt und das leben deutlich verschoben. war die fahrbahn frei, bin ich früher ohne umschweife bei rot über die straße gegangen. heute gucke ich mich zuerst um, ob nicht vielleicht ein kind in der nähe ist, dem ich ein schlechtes beispiel wäre…

diese rubrik beschäftigt sich mit den gedanken, wahrnehmungen und gefühlen, die – angeregt durch das kind – mein leben gerade auf neue weise spannend machen. das kind zwingt mich, althergebrachte selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und gewohnte konzepte anzuzweifeln. ich lerne mich selbst neu kennen, weil ich an grenzen stoße, grenzen des erlebens, die ich ohne kind nicht hätte erfahren können.

chinesisches gericht versucht blogger aus berlin zu verklagen!

heute bekam ein berliner blogger den schriftsatz eines chinesischen gerichts zugestellt, schreibt spiegel online. im (auto)-blog von ron aron hillman war im oktober 2006 ein beitrag erschienen, den der im wesentlichen von spiegel online abgeschrieben hatte: eine chinesische firma kopiere schamlos einen bus der firma NEOPLAN.

bizarrerweise klagt nun die chinesen-firma auf unterlassung. womit müssen wir in zukunft noch rechnen? wegen beleidigung der kommunistischen partei chinas abgemahnt zu werden? wegen des erzählens von mao-witzen geldstrafen auferlegt zu bekommen?

gesundheitspolitik als theater

wie schlecht muss politik sein, wenn sie für ihre inszenierung soviel donner und getöse braucht?

im heutigen akt bringen die beteiligten gutachten zur zukünftigen be- und entlastung einzelner bundesländer durch den gesundheitsfond gegeneinander in stellung. gutachten im übrigen, von denen kenner der materie sagen, sie seien eh für die tonne, weil NIEMAND in der republik über zuverlässige daten verfügt, die derlei prognosen überhaupt erlaubten.

das hektische fingerzeigen quer durch die republik (csu auf die ministerin schmidt, spd auf die cdu/csu-ministerpräsidenten) auf die vermeintlich bösen buben und mädels im stück, lenkt von der tatsache ab, dass hier am ende eine hand die andere wäscht: gibst du mir ein bisschen mehr markt im gesundheitssystem (sagt die cdu), gebe ich dir ein bisschen mehr dirigismus und kontrolle! gibst du mir ein bisschen mehr zentralgewalt (sagt die spd), gebe ich dir ein wenig mehr wettbewerb und konkurrenz. so viel einmütiges politikverständnis war selten in der republik. und alle welt denkt, die beiden würden sich streiten…

brauchen wir nun eine reform des gesundheitssystems oder müssen wir zuerst reformierte politiker ins amt wählen? oder müssen wir sie ins amt putschen?

wenn das kind krank ist…

mein sohn wird demnächst ein jahr alt. wenn er krank ist, beschwerden meldet, nörgelig und nölig ist, bin ich zunächst mal verunsichert. wie schlecht geht es einem kind, wenn es ihm schlecht geht? was darf ich dann noch von ihm erwarten?

die frage stellt sich mir selbst im krankheitsfall genauso. was kann ich noch leisten, wenn körper, seele und geist nicht im normalbetrieb arbeiten? und was ist bitteschön normalbetrieb? und was erwarte ich dann von mir?

was passiert konkret? sein verhalten verändert sich (er wird anhänglicher, gibt mehr beschwerende laute von sich, wimmert und stöhnt, ist kaum mittels grimassen oder gesang abzulenken). um nun der situation angemessen auf ihn reagieren zu können, muss ich auch mein eigenes verhalten verändern. dabei werde ich mit meinen konzepten von krankheit und gesundheit konfrontiert: wie viel mitgefühl, wie viel verständnis, wie viel aufmerksamkeit bringe ich einem kranken gegenüber auf? wie schwer fällt es mir zu akzeptieren, dass der normalbetrieb durch krankheit unterbrochen wird? wie gut kann ich selber mit der krankenrolle umgehen, wenn ich krank bin?

fragen über fragen.
inzwischen hat das kind die erkältung hinter sich. die zahnungsbeschwerden dagegen bleiben ihm vorerst erhalten. genauso wie mir die unruhigeren nächte…

Das Geschlecht von Kindern in Skandinavien

Die Süddeutsche Zeitung meldet aus dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock: Schwedische Eltern bevorzugten die Geburt von Töchtern. Finnische Eltern dagegen neigten eher dazu, Söhnen den Vorzug zu geben.

Auf der Seite der MPG werden die Befunde der Bevölkerungsforscher zusammengefasst: „Gendering family composition: sex preferences for children and childbearing behavior in the Nordic countries“.

Die Ergebnisse beruhen auf der Analyse der Geschlechterabfolge in den Familien: Eltern in Schweden bekommen nach zwei Töchtern oft keine weiteren Kinder. Finnische Familien kriegen in einer solchen Konstellation häufig noch einen Sohn. Schwedische Eltern mit zwei Söhnen jedoch sorgen oft noch dafür, dass eine Tochter hinzu kommt. Finnische Eltern begnügen sich in einem solchen Fall mit den beiden Söhnen…

So what? – Könnte man meinen, wenn nicht die Forscher folgende Erklärung bereit hielten: Eltern sind am Geschlecht ihrer Neugeborenen nicht desinteressiert, nur weil Frauen und Männer heute gleiche Chancen haben. Obwohl niemand bisher diese Behauptung (Eltern seien am Geschlecht ihrer Neugeborenen desinteressiert) aufgestellt hat, halten sie die Forscher nunmehr für widerlegt… So schön einfach kann Wissenschaft sein: Widerlege mit deinen Zahlen etwas, was nie zuvor jemand behauptet hat – und schon schreibt die Süddeutsche drüber.

Oder nochmal anders gewendet: Ist statistische Bedeutsamkeit auch kulturell bedeutsam? Bzw. denken wir, weil es statistisch bedeutsam ist, muss sich auch ein kultureller Effekt in den Zahlen abbilden? Ich habe da meine zweifel. Aber ich kenne auch die Schweden und die Finnen nicht sonderlich gut.