Hamburg-Billstedt: Erster Gesundheitskiosk in Deutschland eröffnet

Heute ist in Hamburg-Billstedt der erste Gesundheitskiosk eröffnet worden. Nach finnischem Vorbild (Terveyskioski) und mit Mitteln des Innovationsfonds hat der Kiosk die Aufgabe, durch niedrigschwellige, zielgruppenspezifische Beratungsangebote, die gesundheitliche Situation der Billstedt-Horn-Mümmelmannsberger Bevölkerung zu verbessern.

Während es in der Großstadt Regionen gibt, in denen Wohlstand, eine hohe Lebensqualität und eine hohe Lebenserwartung zu finden sind, gibt es in derselben Stadt Regionen, in denen die Krankheitslast höher, die Gesundheitskompetenz und auch die Lebenserwartung niedriger sind – und die Arbeitslast sowohl der Hausärzt*innen als auch der Spezialist*innen besonders hoch ist, weil die Arztdichte geringer ist als in anderen Stadtteilen.

Die Allgemeinmedizin-Abteilung des UKE (mein Arbeitgeber) hat in der Vorbereitung dabei geholfen, die Mitarbeiter*innen des Kiosks darauf vorzubereiten, die Patient*innen zu beraten, deren Sorgen und Nöte zu verstehen, Gesundheitsziele zu vereinbaren und ihnen bei deren Umsetzung eine Zeitlang zur Seite zu stehen. Kurz gesagt: Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, das Selbstmanagement zu fördern.

Der Kiosk ergänzt die medizinische Behandlung durch kooperierende hausärztlich und spezialistisch tätige Ärzt*innen. Der neue Versorgungsansatz nimmt soziale Ungleichheiten und Ungleichheiten in der Versorgung in den Blick und zielt auf eine verbesserte Versorgungskoordination. Das Modell der Delegation (Überweisung durch behandelnde Ärzt*innen) soll einen Beitrag zur Entlastung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte leisten, die Gesundheit chronisch kranker Patient*innen verbessern helfen und den Erhalt der Gesundheit durch präventive Angebote fördern.

Weitere Informationen:
Eröffnung des Gesundheitskiosks (Pressemappe)
Entwicklungs- und Handlungskonzept für die Hamburger Stadtteile Billstedt und Horn (Optimedis AG, 2015), gefördert durch die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz

Ein paar Schnappschüsse von der Eröffnung, u.a. mit der Hamburger Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks, die ein Puzzle-Teil in das Logo des Kiosks einsetzt – um zu symbolisieren, wie der Kiosk eine (Versorgungs)-Lücke schließt.

Refugee-First-Response-Centers zur medizinischen Versorgung – die Dokumentation

Als im Herbst letzten Jahres Menschen aus Dutzenden Nationen Zuflucht in Deutschland und eben auch in Hamburg suchten, entstand die Idee, einen Ersthilfe-Versorgungscontainer zu entwickeln. Der sollte erste Anlaufstelle für die medizische Versorgung in den Erstaufnahmestellen sein – und gleichzeitig über eine Internetverbindung die Möglichkeit schaffen, online so genannte Videodolmetscher hinzuzuschalten, um das ärztliche Gespräch sofort auf eine Weise zu unterstützen, dass Vertrauen aufgebaut, Verständnis hergestellt und eine Lösung für das medizinische Problem gefunden werden konnte.

Nun ist die filmische Dokumentation dieses Leuchtturm-Projekts fertiggestellt und online verfügbar.

Selbstmanagementförderung bei psychischen Belastungen in der hausärztlichen Versorgung – Ergebnisse der SMADS*-Studie

Das ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse einer niedrigschwelligen Intervention durch Pflegekräfte in der hausärztlichen Versorgung. Das Sozial- und Case Management in den teilnehmenden Hausarztpraxen war Teil von psychenet – Hamburger Netz psychische Gesundheit. Zwischen 2011 und 2015 wurden hier innovative Versorgungsmodelle erprobt und umgesetzt, um Menschen mit psychischen Belastungen besser zu helfen als das gegenwärtig in der Regelversorgung der Fall ist.

Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse des SMADS-Projekts ist im International Journal of Nursing Studies erschienen und frei verfügbar.

Hintergrund

Psychisch belastete PatientInnen suchen mit ihren Beschwerden zumeist ihre AllgemeinärztIn auf. Insbesondere Beschwerdebilder aus dem ängstlichen, depressiven und somatoformen Störungskreis sind häufig vertreten. Um die hausärztliche Versorgung zu ergänzen, hat die SMADS-Studie in beteiligten Hausarztpraxen ein Sozial- und Case Management zur Selbstmanagementförderung dieser PatientInnen durch speziell geschulte Pflegekräfte umgesetzt.

Fragestellung

Kann der Einsatz einer Pflegekraft innerhalb eines Untersuchungszeitraum von 12 Monaten sowohl die Selbstwirksamkeit von psychisch belasteten Patient/-innen steigern als auch die psychischen Symptome reduzieren helfen – verglichen mit einer Kontrollgruppe, die in der Standardbehandlung verblieben ist?

Methoden

Cluster-randomisierte, kontrollierte Studie in 20 Hausarztpraxen (10 Interventionsgruppe – IG; 10 Kontrollgruppe – KG). Analysen basieren auf der Intention-To-Treat-Population. Zur Analyse der Daten kam ein gemischtes, Mehr-Ebenen-Regressionsmodell zum Einsatz, das den Clustereffekt kontrolliert.

Ergebnisse

325 PatientInnen (IG N=134, KG N=191; mittleres Alter in Jahren: IG 39,5±13,2, KG 40,7±13,1; Spannweite 18-65 Jahre; Frauenanteil: IG 66,4%, KG 67,0%) erbrachten ein vollständiges Baseline Assesssment. 12 Monate später unterschieden sich die mittleren Differenzen der Selbstwirksamkeit (IG vs. KG) um 1,65 Punkte (95%-KI 0,50 – 2,8) zugunsten von IG (p=0,004). Daraus resultierte eine Effektstärke d von 0,33. Die kombinierte Beschwerdelast aller drei PHQ-Skalen verringerte sich über den gleichen Zeitraum um -2,2 Punkte mehr bei der IG verglichen mit der KG (95%-KI -5,2 – 0,74, p=0,14).

Diskussion

Eine niedrig-schwellige Intervention durch Pflegekräfte, umgesetzt als Collaborative care-Modell, erhöhte die Selbstwirksamkeit von psychisch belasteten PatientInnen verglichen mit einer KG. Die Beschwerden konnten durch die Intervention gesenkt werden, ohne dass sich das Ergebnis von der KG deutlich unterscheidet. Somit konnte die SMADS-Studie das erste Mal belegen, dass eine Pflegefachkraft die Versorgung durch die AllgemeinärztIn erfolgreich ergänzen kann.

* SMADS: Selbstmanagementförderung in der hausärztlichen Versorgung für Patienten mit Angst-, depressiven oder somatoformen Störungen

Für eine Re-Sozialisierung der Medizin

Bernd Kalvelage
Klassenmedizin – Plädoyer für eine soziale Reformation der Heilkunst
Springer Heidelberg New York 2014

Rezension:
Wagner HO, Zimmermann T (2014). Für eine Re-Sozialisierung der Medizin. Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 90, 12, 494-495.

„Jeder Kranke benötigt eine ‚individuelle Medizin’, die seinen sozialen Status, seine Möglichkeiten und Grenzen kennt und berücksichtigt.“

Bernd Kalvelage war 30 Jahre lang Hausarzt im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, einem so genannten „sozialen Brennpunkt“. Nach all seinen Erfahrungen hält er eine Behandlung „ohne Ansehen der Person“, so wie es eigentlich zum ärztlichen Selbstverständnis gehört, für keinen guten Ausgangspunkt der Heilkunst. Die Schichtzugehörigkeit seines Patienten unberücksichtigt zu lassen, hält er vielmehr für einen (Kunst-) Fehler, der dem Medizinbetrieb gar nicht mehr auffällt.

In seinem Buch „Klassenmedizin“ begründet der Autor ausführlich, warum das so ist: Der Medizinbetrieb habe den sozialen Blick auf die PatientInnen verloren, beklagt Kalvelage. Er belegt seine These akribisch, angereichert mit vielen Beispielen aus der eigenen Praxis, gewürzt mit scharfer Kritik an dem kläglichen Zustand der ärztlichen Selbstverwaltung und der totalen Durchökonomisierung des ärztlichen Handelns. Er hält einem Versorgungssystem den Spiegel vor, das es toleriert, dass Menschen aufgrund ihrer sozialen Lage früher sterben.

Neben dem somato-psychischen Blick auch noch an die soziale Situation der PatientInnen zu denken, stellt eine große Herausforderung dar. Doch im gegenwärtigen Versorgungssystem fehlt der Platz für eine Haltung, die meist unverschuldeten Notlagen der Menschen wirklich ernst zu nehmen. Dazu kommt, dass in Nachbarschaften wie Wilhelmsburg, in denen die Menschen körperlich und seelisch belasteter, also kränker sind, oftmals weniger Ärztinnen und Ärzte praktizieren. Und das obwohl gerade dort ein höherer Erklärungs- und Begleitungsbedarf besteht, um den Menschen die beste Medizin zu Verfügung zu stellen. Die Differenz in der Lebenserwartung zwischen der höchsten und niedrigsten Einkommensgruppe beträgt in Deutschland bei Männern ca. 11 Jahre und bei Frauen 8 Jahre. Diese Diskrepanz alleine unterschiedlichen und selbst verschuldeten Lebensstilen zuzuschreiben, greife zu kurz und sei außerdem zynisch, so Kalvelage. PatientInnen werden vom medizinischen Versorgungssystem in Deutschland für ihre soziale Lage bestraft. Es gilt das alte Bonmot „If you want to improve your health, change your social class“.

Kalvelage kritisiert die Zumutungen der gut situtierten Mehrheitsgesellschaft, bestimmten Kranken und Notleidenden mehr abzuverlangen als sie leisten können: Wieso wird von PatientInnen erwartet, die Verantwortung für das eigene Wohl und Wehe zu übernehmen, wenn sie davor nie in die Lage versetzt worden sind, diese Verantwortungsübernahme zu erlernen? Warum sollten PatientInnen selbstwirksam daran glauben, es läge in ihrer Macht zu gesunden, wenn sie alltäglich dem Gefühl von Ohnmacht, Abhängigkeit und ökonomischer Deprivation ausgesetzt sind?

Begriffe wie Shared-Decision-Making, Eigenverantwortung oder Primärprävention bilden zwar die modernen Trends der Fitness-Gesellschaft und deren Interessen ab, aber sie ignorieren, wie viele PatientInnen dabei auf der Strecke bleiben – im wahrsten Sinne des Wortes. Menschen in Not werden bewusst Ressourcen verweigert und ein abgehobener gesellschaftlicher Diskurs fordert mit „intellektuell beschlagener Oberschichtenbrille“ zur Erziehung der Unterschichten auf.

Wenn all das so ist, was bedeutet das für die hausärztliche Tätigkeit?

Der rote Faden des Buches ist die Einforderung einer bestimmten (haus)-ärztlichen Haltung: „Handle in deinem Verantwortungsbereich so, dass du mit dem Einsatz all deiner Ressourcen immer beim jeweils Letzten beginnst, bei dem es sich am wenigsten lohnt.“ Dieser Satz von Klaus Dörner ist auch für Kalvelage sein „kategorischer Imperativ“. Dabei erkennt er wie Dörner zunächst an, dass es sich dabei um eine Art kalkulierte Überforderung handelt. Der Handlungsmaxime dennoch zu folgen, bringt den handelnden Arzt klar in Stellung dagegen, die Schwächsten auszugrenzen. Mehr noch, die Haltung ist eine Kampfansage an die Ökonomisierung ärztlichen Handelns wie überhaupt des Sozialen.

Kalvelage will soziale Barrieren und Benachteiligungen überwinden. Das ist sein leidenschaftlicher Appell an uns Hausärztinnen und Hausärzte. Er möchte, dass wir uns dafür einsetzen, die Medizin vom Letzten her zu sehen. – Und das sei nicht nur als eine Bürde dem einzelnen Arzt im Sprechzimmer auferlegt, vielmehr müsse das gesamte Konzept medizinischer Versorgung dem Rechnung tragen, Klassenmedizin eben.

Als ein typisches Beispiel führt der Autor die Leitlinien an, die nach wie vor auf eine ausschließlich rationale Steuerung von Menschen setzen. Wo finden wir Hinweise auf die schichtabhängige Umsetzbarkeit von Therapiezielen, auf eine notwendige Orientierung an den Möglichkeiten eines Patienten, der in seinem ganzen Leben so etwas wie Selbstwirksamkeit kaum erfahren hat, auf verkürzte Lebenserwartung, weil eben Zugangshürden unüberwindbar geworden sind? Wo finden wir Ermunterung zur partizipativen Entscheidungsfindung, die Therapiewiderstände berücksichtigt und sich mit kleinen, bescheidenen Therapiezielen zufrieden gibt?

Er fordert Freiraum für eine so verstandene ärztliche Tätigkeit und sieht unsere Gesellschaft auf der schiefen Ebene, weil sie dabei ist, die Kontrolle über die Heilkunde zu verlieren – und sie an Ökonomen und Verwaltungsbürokraten abzugeben. Er möchte die Ärzteschaft wieder für ihren Kernauftrag sensibilisieren und sieht die HausärztInnen in besonderer Weise gefordert, da nur sie sich über die Beziehung zu ihren PatientInnen definieren. HausärztInnen erleben hautnah, wie sehr sich der moderne Medizinbetrieb mit seinen standardisierten Regelungen und Abläufen von den Bedürfnissen der PatientInnen entfernt hat.

Fazit

Bei „Klassenmedizin“ handelt es sich um ein Buch, auf das sich die geneigte Leserin und der geneigte Leser einlassen muss. Es ist fundierte, immer wieder empirisch und anekdotisch untermauerte Gesellschafts- und Medizinkritik. Es ist politisch, philosophisch und gleichzeitig sehr persönlich. Es macht uns die Kernaufgaben deutlich, hält uns den Spiegel vor, zwingt zum Nachdenken. Insofern ist das Buch riskant für die Lesenden: Kalvelages Blick zu folgen, bedeutet, zukünftig nicht mehr weg- oder vorbeischauen zu können. Denn wer sich einmal darauf eingelassen hat, kann in seinem Denken nicht mehr hinter die Perspektive zurück, die Kalvelage in aller Deutlichkeit und mit aller Dringlichkeit ausbreitet. – Auch wenn Kalvelages politische Haltung eher auf der linken Seite des politischen Spektrums verortet werden kann, ist das Werk gerade kein Buch für Linke oder nur für Ärztinnen und Ärzte in sozialen Brennpunkten mit ihren spezifischen Arzt-Patient-Konstellationen. Im Kern geht es Kalvelage ja um die ärztliche Haltung, nicht um die politisch-ideologische. Egal ob freiberuflich oder angestellt – ein Arzt ist nicht der KV, dem Controlling, nicht den Chefs, nicht den Krankenkassen, auch nicht seiner Einkommensmaximierung, sondern nur guter Medizin und den PatientInnen verpflichtet.

Mahnend erinnert uns Kalvelage, dass unsere professionelle Autonomie an eine zentrale Bedingung geknüpft ist: die ausschließliche Orientierung am Wohl unserer PatientInnen, der Not des Menschen, der vor uns sitzt. Der Autor entreißt uns dem Klammergriff der Ökonomie, zunächst einmal intellektuell. Er macht uns den Kopf frei und gibt uns unsere Unabhängigkeit zurück: Der ärztliche Auftrag ist nicht verhandelbar. Wir sind unverfügbar. Wir sind keine Dienstleister. Wir sind Treuhänder für die Sorgen und Nöte unserer PatientInnen.

Die Lektüre dieses Buches kann selbst HausärztInnen nach langjähriger Tätigkeit sehr nachdenklich zurücklassen. Es braucht wesentlich mehr Mut und Engagement, nicht nur um die „Klassenmedizin“ anzuwenden, sondern um einer derartigen Re-Sozialisierung der Medizin deutlich mehr Gehör zu verschaffen – innerhalb unserer eigenen Profession, in Politik und Gesellschaft.

Nützliche Links zur Flüchtlingshilfe in Hamburg – #HHhilft

Umfassende Sammlung verschiedener Betreuungs- und Beratungs-Angebote auf hamburg.de

http://www.hamburg.de/fluechtlinge/4334084/betreuung-und-beratung/

Kirchliche Beratungsstelle Fluchtpunkt

http://www.fluchtpunkt-hh.de/scroll/aktuelles_beratung01.html

Ärztliche Versorgung von Flüchtlingen (aus ärztlicher Sicht inkl. Abrechnung)

http://www.kvhh.net/media/public/db/media/1/2009/10/72/telegramm_31_2015_sondertelegramm.pdf

In diesem KVH-Telegramm finden sich auf Seite 2 Hinweise für die Behandlung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und die Inanspruchnahme von Psychotherapie

http://www.kvhh.net/media/public/db/media/1/2009/10/72/telegramm_32_2015.pdf

Ärztekammer Flyer Menschen in Not helfen

http://www.aerztekammer-hamburg.org/files/aerztekammer_hamburg/wissenswertes/migranten/Flyer_menschen_in_not_helfen_2015.pdf

Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge ohne Papiere

http://www.medibuero-hamburg.org/deutsch
http://www.diakonie-hamburg.de/web/spenden/AnDOCken-Aerztliche-und-Soziale-Praxis-fuer-Menschen-ohne-Papiere

Hilfe für besonders schutzwürdige Flüchtlinge (minderjährig, krank, alt, schwanger etc.)

http://www.fz-hh.de/de/projekte/clearingstelle.php
http://www.fz-hh.de/download/flyer-clearingstelle.pdf

Flüchtlingszentrum Flyer mit Programmüberblick (getragen von AWO, Caritas, Rotes Kreuz)

Startseite Flüchtlingszentrum
http://www.fz-hh.de/download/Flyer_Fluchtlingszentrum-Hamburg_2015_DEEN.pdf

Work and Integration for Refugees (W.I.R.)

http://www.fz-hh.de/download/W.I.R/WIR-Infoblatt-MultiplikatorInnen-DEUTSCH.pdf (deutsch)
http://www.fz-hh.de/download/W.I.R/WIR-Infoblatt-MultiplikatorInnen-ARABISCH.pdf (arabisch)

Sozialpädagogische Familienhilfe (gerade für jene, die bereits aus den Unterkünften raus sind und eine Wohnung haben)

http://www.hamburg.de/basfi/start-spfh/

Privater Wohnraum für Flüchtlinge

http://www.hamburg.de/fluechtlinge-unterbringung/4506850/privater-wohnraum-aktuell/

Spenden für Flüchtlinge

http://www.hamburg.de/hh-hilft/4450014/spenden-fuer-fluechtlinge/
https://www.betterplace.org/de/projects/33167

Beantragung von Fördergeldern „Flüchtlinge & Ehrenamt“

http://www.buergerstiftung-hamburg.de/fonds_fluechtlinge_ehrenamt/

Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit Hamburg

http://www.hamburgasyl.de/helfen-spenden-ehrenamt-freiwillig-engagieren-fuer-fluechtlinge-hamburg.html

Fördern und Wohnen – Kontaktliste Erstaufnahmen

http://www.foerdernundwohnen.de/wohnen/einrichtungen-fuer-wohnungslose-menschen-und-zuwanderer/wohnunterkuenfte/zentrale-erstaufnahmeeinrichtung-fuer-asylbewerber.html

Inszenierte Wissenschaft – Das Schokolade-macht-schlank-Experiment

Eine Arte-Dokumentation legt offen, wie einfach (ok, sechs Monate sehr intensive Arbeit als Vorbereitung) es dieser Tage zu sein scheint, mit einer inszenierten wissenschaftlichen Studie rund um den Globus Schlagzeilen zu machen.

Die „Studie“ dokumentiert wie der wissenschaftlich-mediale Komplex funktioniert. Die beiden Filmemacher Diana Löbl und Peter Onneken haben das Setup erfunden und sich Experten als Berater dazu geholt, die das „Studiendesign“ entwickelten und die Daten auswerteten. Das Ergebnis der „Studie“ war vorab festgelegt: Schokolade macht schlank – eine Überschrift, die immer mal wieder durch die Druckerpressen und Startseiten der Netznachrichten rotiert (Spiegel Online 2012 und scinexx.de 2013).

Schließlich holten Löbl und Onneken für die Vermarktung den Wissenschaftsjournalisten John Bohannon ins Boot. Für das Science-Magazin inszenierte er 2013 eine andere verdeckte Operation, in dem er einen computer-generierten Nonsens-Aufsatz bei 304 Open Access-Zeitschriften einreichte und unglaubliche 157 Veröffentlichungszusagen erhielt. 

Interessanterweise behauptet nun der Publisher (fürs geübte Auge bspw. von Bohannon als einer jener predatory open access publisher zu erkennen, die alles drucken, was ihnen eingereicht wird), der Aufsatz sei sowieso niemals akzeptiert gewesen. Dennoch veröffentlichte der Verlag nun eine ordentliche „retraction notice“ unter der gleichen URL – http://imed.pub/ojs/index.php/iam/article/view/1087/728 – ein Verfahren dafür erfunden, einen bereits veröffentlichten Beitrag zurückzuziehen.

Bohannons Blogeintrag, um den Schwindel offen zu legen, ist ein bisschen zu selbstverliebt wie ich finde: „I fooled millions…“ – Seine Rolle in dem Spiel akzentuiert er schon sehr zu seinen Gunsten.

Der Film beleuchtet eindrucksvoll zwei gravierende Probleme:

Wie ist es möglich, angesichts der Flut biomedizinischer Fachaufsätze zu allen möglichen Fragen von Leben oder Tod die wissenschaftliche Qualität zu sichern?

Welche Auswirkungen hat ein völlig kritikloser Umgang mit vermeintlich wissenschaftlicher Forschung, wenn es Medien nur darum geht, ihren Konsumenten irgendetwas zu erzählen, das denen gefallen könnte?

Bei retractionwatch wird allerdings auch diskutiert, ob diese Fake-Studie überhaupt zurückgezogen werden durfte, wenn sie doch alle Kriterien erfüllt hat, die der Publisher eingefordert hat – und sich sonst auch kaum von vielem Schund unterscheidet, der gerade im ernährungswissenschaftlichen Bereich als „Studie“ durchgeht. Diesen Hintergrund haben Löbl und Onneker in ihrer Dokumentation ebenfalls gut ausgeleuchtet. Der Allgemeinarzt Gunter Frank (bekannt aus Buch, Funk, Fernsehen) hilft ihnen dabei, die Studienrezepte zu verstehen und die eigene Studie zu inszenieren.

Wer mehr wissen will: Die Qualität von Journalismus aus dem Gesundheits- und Ernährungsbereich wird in diesem Buch „Qualität im Gesundheitsjournalismus“, erschienen im SpringerVS-Verlag, diskutiert.

Zukunft der hausärztlichen Versorgung

In den kommenden 10 bis 15 Jahren wird ca. die Hälfte der niedergelassenen Hausärztinnen und -ärzte aus Altersgründen ihre Kassenzulassung zur Versorgung von Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung zurückgeben. Diese große Zahl ist durch die AbsolventInnen, die sich gegenwärtig für eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin entscheiden, nicht zu kompensieren. Gleichzeitig wächst der Behandlungsbedarf der Bevölkerung dadurch, dass es immer mehr Ältere gibt, die länger leben und oft an behandelbaren bzw. stabil zu haltenden Erkrankungen leiden.

Vor dieses Problem gestellt, sind verschiedene Organe der Selbstverwaltung (Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen) mit Maßnahmen beschäftigt, wie die hausärztliche Versorgung der Zukunft zu sichern sei. Davon wird hier zu reden sein.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vom 27.11.2013 bekennt sich zur weiteren Stärkung der hausärztlichen Versorgung. Auch das Jahresgutachten 2014 des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen enthält entsprechende Empfehlungen. Ebenso erneuert die 87. Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK 2014) ihre Forderung, im Ausbildungsgang Humanmedizin die Allgemeinmedizin noch stärker als bisher einzubeziehen. Auch davon wird weiter unten die Rede sein.

Dieser Beitrag fasst zusammen, welche Maßnahmen und Strategien in den vergangenen Jahren in Deutschland aufgegriffen wurden, um dem beschriebenen Problem entgegenzuwirken. Betrachtet werden die Entwicklungen anhand ausgewählter Thesen der 81. Gesundheitsministerkonferenz (GMK 2008), die am 03.07.2008 verabschiedet wurden. Sie sind im „Konzept der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Deutschland – Die Primärversorgung in Deutschland im Jahr 2020“ nachzulesen.

Auszug aus:
Zimmermann T, Scherer M (2014). Zukunft der hausärztlichen Versorgung. In: Korczak D. (Hg.) Visionen statt Illusionen – Wie wollen wir leben? Asanger Verlag Kröning, 149-170.
Der vollständige Text ist im Sammelband „Visionen statt Illusionen“ (Asanger-Verlag) nachzulesen.

Das durchschaubare Spiel der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Im Koalitionsvertrag der GroKo (S. 76) steht dieser wunderbar eindeutige Satz, der den Anfang vom Ende des Systems Kassenärztlicher Vereinigungen (KV) einleiten könnte; eines Systems, das von den ambulant niedergelassenen ÄrztInnen gehassliebt wird:

Die Vertreterversammlungen von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Kassenärztlichen Vereinigungen werden zu gleichen Teilen aus Haus- und Fachärztinnen und -ärzten gebildet. Über rein hausärztliche Belange entscheiden die hausärztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung, über rein fachärztliche Belange die fachärztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung.

Wenn nicht das Ende des Systems, so würde dieser Satz, stünde er in einem Gesetz, doch einen erheblichen Einschnitt für die Machtkonstellationen der ärztlichen Selbstverwaltungsgremien bedeuten. Parität per Gesetz hieße, eine jahrzehntelange Dominanz der Gebiets- über die Hausärzte zu beenden.

Die Abwehrkämpfe der KBV-Vertreterversammlung haben auf jeden Fall begonnen. So gibt es jetzt einen neuen Aussschuss, der die Interessen von Haus- und Fachärzten ausgleichen soll – ein letzter Versuch, das Gesetz durch innere Reformen abzuwenden. Ein letzter Versuch, das eigene Versagen zu kaschieren – und das Eingeständnis, dass es offenbar vorher nicht gelungen ist, die Interessen auszugleichen.

Wenn jetzt KBV-Chef Gassen mit größtmöglicher Larmoyanz Entschiedenheit davon spricht, dass es keine „Bevorzugung eines Versorgungsbereiches“ geben dürfe, dann ist das  armselig.

Sein Laden, seine fachgebietsärztlich dominierten Selbstverwaltungsgremien tragen die Hauptschuld daran, dass die hausärztliche Versorgung sysmatisch geschwächt und der Hausarzt-Beruf immer unattraktiver für den Nachwuchs gemacht wurde. Sein KV-System hat die gegenwärtige Krise der Versorgung auf dem Land mitverschuldet.

Und nun meint Herrn Gassen, Ungleichbehandlung zwischen Fachspezialisten und Hausärzten sei abzulehnen. Jahrzehnte konnte das KV-System die fachärztliche Seite unwidersprochen bevorzugen. Das Jammern des dominierenden Versorgungsbereiches setzt genau dann ein, wenn dieser Ungleichheit nicht länger tatenlos zugesehen werden soll. – Wer sich solche ärztlichen Standesvertreter wählt, braucht sich nicht zu wundern, wenn ein genervter Politikbetrieb, die Unfähigkeit der Selbstverwaltung beklagt – und gesetzgeberische Maßnahmen verfügt, dieser Unfähigkeit zu begegnen.

Ich bin gespannt, ob der plötzliche Hang der KBV zum Interessensausgleich das Gesetz in der geplanten Form abwenden kann – oder ob sich der Hausärzteverband im Gesetzentwurf durchsetzt.

Der will die klare Trennung der Gebiete – sicher mit dem Ziel einer eigenen Hausarzt-KV.

Qualität im Gesundheitsjournalismus – das Buch

Bei SpringerVS erscheint dieser Tage ein Buch, das sich der Berichterstattung über Gesundheit und Krankheit in den Medien (Print, TV, Radio, soziale Netzwerke) widmet. Zusammengestellt hat das Werk eine Arbeitsgruppe rund um Volker Lilienthal, den Inhaber der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für die Praxis des Qualitätsjournalismus am Hamburger Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft.

Titel-Qualitaet-GesundheitsjournalismusIm einleitenden Kapitel benennen und erläutern die Herausgeber die verschiedenen Rollen, die der Gesundheitsjournalismus in den Medien zu erfüllen hat: Das Genre dient als Ratgeber und erfüllt die Funktion der Krisenberichterstattung (EHEC, Vogelgrippe). Gleichzeitig sind Gesundheitsthemen Teil des politischen Journalismus, wenn über politische Entscheidungen, Gesetzgebungsprozesse und den medizinisch-industriellen Komplex (Pharmaindustrie, Krankenhäuser, Ärzteschaft) berichtet wird. Natürlicherweise ist der Gesundheitsjournalismus  auch in den WIrtschaftsressorts verankert, denn für Gesundheitsleistungen werden in Deutschland jährlich ca. 300 Milliarden Euro umgesetzt. Schließlich sind es ethische Fragen, die der Gesundheitsjournalismus zu bearbeiten hat –  von der aktiven Sterbehilfe über das Embryonenschutzgesetz bis zur Präimplantationsdiagnostik.

Der Sammelband vereint Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft (u.a. Volker Lilienthal, Holger Wormer, Marcus Anhäuser, Joachim Trebbe) und Praxis (u.a. Martina Keller, Werner Bartens, Volker Stollorz) – entsprechend der Gliederung in die beiden großen Themenkomplexe: Gesundheitsjournalismus und Wissenschaft sowie Gesundheitsjournalismus und Praxis.

Auch ich bekam die Gelegenheit, einen Beitrag zu leisten: „Garbage in – garbage out“ – wenn die journalistischen Quellen vergiftet sind“. Darin zeige ich die Schwierigkeiten auf, denen Journalistinnen und Journalisten begegnen, wenn ihnen gezielt und absichtsvoll vergiftete Quellen zur medialen Verwertung angeboten werden. Dazu gehören bspw. Fachaufsätze in renommierten Zeitschriften, in denen die Industrie ihre Rolle als Auftraggeber verschleiert. Zu diesem Panoptikum zählen Medikamenten-Hersteller, die durch planvolles Verschweigen verhindern, dass bspw. der gesamte Umfang eines Medikamenten-Nebenwirkungsprofils bekannt wird. In dieser Reihe stehen aber auch Forscherinnen und Forscher, die Daten erfinden oder unangemessene Auswertungsstrategien verwenden, um ihre Ergebnisse in besserem Licht erscheinen zu lassen.

Ich habe ein paar ältere Blogbeiträge verlinkt, die thematisch mit dem Buch-Beitrag verbunden sind:

https://blog.zettmann.de/2007/02/08/anti-dementiva-was-haben-wir-gelernt/

https://blog.zettmann.de/2007/02/11/gelber-curry-und-das-gedachtnis/

https://blog.zettmann.de/2008/02/08/pseudoscience/

https://blog.zettmann.de/2008/03/24/was-kostet-es-medikamente-zu-vermarkten/

https://blog.zettmann.de/2008/04/24/alzheimer-drugs-the-evidence-is-still-not-convincing/

https://blog.zettmann.de/2008/04/25/studien-zu-alzheimer-medikamenten-und-die-studien-autoren/

https://blog.zettmann.de/2012/04/13/nochmal-vergiss-alzheimer/

https://blog.zettmann.de/2013/04/01/novartis-verliert-patentschutzstreit-in-indien/